Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
Arme so fest, dass ich bestimmt blaue Flecken bekomme. Selbst die Chaosschimmer, die in meine Haut eindringen, scheinen wütend zu sein.
»Aren«, versuche ich es ein letztes Mal.
Er sieht mich mit kalten, silbernen Augen an. Ich wage es kaum, zu atmen. Jetzt ist er nicht mehr Aren. Er ist jemand anders, ein Fae, der fähig ist, der Schlächter von Brykeld zu sein.
»Es reicht jetzt«, sagt Sethan, der im Türrahmen steht. »Wir bringen sie zu Lorn.«
In Arens Wange zuckt ein Muskel, dann nickt er einmal und akzeptiert Sethans Entschluss. Und der klang wie eine formelle Bekanntmachung, in der über mein Schicksal entschieden wurde.
»Wir müssen nicht zu Lorn gehen.« Naito wirft das Handy auf den Boden und tritt mit dem Absatz darauf. »Wir können sie zum Reden bringen.«
»Sie wird uns anlügen.« Er drückt mich an die Wand.
»Wir bringen sie zu Lorn«, sagt Sethan noch einmal. Er geht zum Waschbecken und dreht das Wasser ab. »Ich werde das Risiko nicht eingehen, dass sie uns in eine Falle schickt.«
Naito spannt den Kiefer an. »Lorn wird uns nur helfen, wenn er dafür eine Gegenleistung bekommt.«
Kelia legt ihm eine Hand auf den Arm. »Mach dir deswegen keine Sorgen.«
»Ich werde euch begleiten.«
»Naito …«
Er durchbohrt sie mit seinem Blick. »Du gehst nicht ohne mich.«
Kelia presst die Lippen zusammen, protestiert aber kein zweites Mal.
13
E is ballt sich um mich herum zusammen, quetscht mich ein, knackt und zerspringt dann, als wir aus dem torgebundenen Riss treten. Ich ziehe die süße, knackige Luft in meine Lungen hinein und schwanke ein wenig, während ich mich an die Atmosphäre im Reich gewöhne.
Lena lässt meinen Arm los. So sehr hasst mich Aren inzwischen, dass er ihr befohlen hat, mich hierherzubringen. Es ist dunkel, nur ein winziger, schmaler Lichtstreif dringt unter dem hervor, was ich für die Tür des Gebäudes halte. Ich mache einen Schritt nach hinten und trete mit dem Absatz gegen irgendwas … eine Wand. Als ich die Hände daran lege, spüre ich grobe Bretter. Das Gebäude wirkt klein und beengt. Ich bin mir sicher, dass wir uns mitten in einem Dorf oder einer Stadt befinden. Auf der anderen Seite der Wand höre ich, wie sich Leute auf Fae unterhalten. Die Stimmen bewegen sich die Straße entlang und weichen vermutlich Karren aus, die ich über das Kopfsteinpflaster holpern höre.
Es wird heller im Raum, als Lena ihre Magie in die Glaskugel schickt, die von der Decke hängt. Das blau und weiß leuchtende Licht bestrahlt Lattenkisten und Fässer. Zwischen mir und einem Stapel praller Stoffsäcke tanzen die Schatten unserer Risse. Sie dehnen sich, werden länger und schrumpfen. Meine Finger würden sie so gern zeichnen. Ich glaube, wir sind in einer Küstenstadt, aber ohne Stift und Papier bin ich mir nicht mal sicher, wo oben und wo unten ist. Wenn ich nur eine Linie, einen winzigen Strich auf ein Papier zeichnen dürfte, dann könnte ich mich orientieren.
»Zieh den über«, ordnet Lena an und deutet auf den Umhang in meinen Armen. Sie hat ihn mir gegeben, bevor sie mich in den Riss gezogen hat. Ich trage auch nicht mehr meine zerfetzte Jeans und das blutbefleckte Nachthemd. Kelia hat mir Fae-Kleidung gegeben, bevor wir Georgia verlassen haben – eine enge beigefarbene Hose aus weichem Leder, ein besticktes blaues Oberteil und schwarze, kniehohe Stiefel, die genauso aussehen wie ihre. Es ist kalt hier, daher bin ich dankbar, dass ich den Umhang überziehen kann, aber ich weigere mich, Lenas Befehl ohne jeglichen Widerstand auszuführen.
Als ich nicht sofort tue, was sie mir gesagt hat, zieht sie eine perfekt geschwungene Augenbraue hoch. »Aren hat kein Problem damit, dass ich dir wehtue.«
»Er war wütend, als du mir den Arm gebrochen hast«, erwidere ich, auch wenn mir nur zu gut bewusst ist, dass sich die Dinge zwischen uns geändert haben.
Sie zieht eine Schulter hoch. »Nur, weil er wollte, dass du freiwillig für uns die Schatten liest.«
Mein Magen zieht sich zusammen. Ich sollte mich von ihr nicht ärgern lassen. Sie bestätigt doch nur, was ich ohnehin schon weiß: Aren hat mich manipuliert, seine Edarratae benutzt, um mich nervös zu machen und auf seine Seite des Krieges zu locken.
Das Silber in ihren Augen scheint heller zu werden. »Oh, es hat funktioniert, was? Zumindest ein bisschen?«
Ich nutze den Umhang als Ablenkung und entfalte ihn aggressiver, als es eigentlich notwendig ist. Sie soll nicht sehen, dass meine Loyalität dem Hof
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