Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
praktisch Rücken an Rücken. Wenn sich Aren nur ein wenig nach links dreht und Kyol sich etwas nach rechts, dann können sie sich sehen. Dann greifen sie einander an. Und diesen Kampf wird nur einer von ihnen überleben.
Es wird Aren sein, der sterben muss. Dessen bin ich mir ganz sicher.
Nur zwei aufeinander einschlagende Männer trennen sie noch voneinander. Einer der beiden ist Naito. Er hat es nicht bis zum Tor geschafft, und, Himmel noch mal, sein Schwert durchdringt die Abwehr des Königstreuen und bohrt sich tief in dessen Wange und Kiefer. Ich weiß jedoch nicht, ob der Schwertkämpfer es noch gespürt hat. Der Hieb an sich war schon heftig genug, um ihm das Genick zu brechen. Der Körper des Fae bricht zusammen und geht eine Sekunde später in seinen Seelenschatten über.
»Naito!«, schreit Kelia warnend.
Ein anderer Königstreuer führt sein Schwert gegen den Menschen. Aren dreht sich um und fängt die Klinge ab, bevor sie ihren Weg vollendet.
»Geh!«, brüllt Aren.
Naito rennt auf das Tor und auf Kelia zu, die in dem Rund, das frei von Silber ist, auf ihn wartet. Sie weicht Angriffen aus, während er ihr immer näher kommt. Als er sie fast erreicht hat, taucht sie ihre Hand in den Fluss. Sie steht auf.
Ein Schrei zu meiner Linken. Ich drehe mich noch rechtzeitig um und sehe, wie Kyol seine Klinge aus einem Rebellen zieht und drei lange Schritte auf Kelia zu macht. Ihr Riss zerfällt, als sie nach hinten taumelt und ihr Schwert hebt.
»Nein«, flüstere ich.
Sie wehrt Kyols Schwert ab, duckt sich aber nicht, als seine Faust heranrast und sie direkt ins Gesicht trifft. In der nächsten Sekunde ist Naito bei ihr. Er schreit. Kyol kann den wütenden Angriff des Menschen mühelos parieren. Als Kelia zu Boden stürzt, hat Kyol Naito längst entwaffnet. Innerhalb von Sekunden öffnet er einen Riss am Tor, schlingt einen Arm um Naitos Hals und verschwindet mit ihm im Licht.
»Nein«, flüstere ich erneut.
»Naito!«, schreit Kelia.
Aren spießt seinen Gegner auf, dreht sich zu Kelia um und sieht, wie sie sich auf die Knie erhebt und die zuckenden Schatten hilflos anstarrt. Aber sie kann sie nicht lesen. Sie weiß nicht, wo sie hinmuss.
Ich schon.
Erschrocken wende ich den Blick ab, aber Aren hat mich bereits gesehen.
Die nächste Minute ist alles im Nebel. Bevor ich unter dem Wagen des Händlers hervorkriechen kann, hat mich Aren schon gepackt. Er zieht mich heraus, hält mich an Händen und Beinen fest und packt meine Haare, um meinen Kopf nach hinten zu ziehen, damit ich in die Schatten sehe.
»Lies sie!«, befiehlt er. Er nimmt das Pergament heraus, die Karte, die ich in Lorns Keller zu zeichnen begonnen habe, und legt es auf den Boden.
Ich schüttle den Kopf.
»Jetzt!« Er drückt mir einen Stift in die Hand. Als ein Königstreuer auf uns zugerannt kommt, springt Lena ihm in den Weg und stößt dem Mann ihr Schwert in den Bauch.
Ich bewege mich nicht, zucke nicht mal mit der Wimper, als die Leiche neben mir zu Boden fällt und verschwindet. Ich werde die Schatten nicht lesen. Ich werde Aren nicht Kyol hinterherschicken.
»Entweder sie zeichnet sie auf, oder du tötest sie!« , faucht Lena und wehrt den Angriff eines weiteren Fae ab.
Aren hält mir seine blutige Klinge an die Kehle. »Zwing mich nicht dazu, McKenzie.«
Mein Atem kommt nun stoßweise. Nein. Er hat die Wunde an meinem Bauch geheilt, zumindest damit angefangen. Er wird mich jetzt nicht töten. Er blufft.
Ich schließe die Augen, damit ich die zuckenden Schatten nicht mehr sehen muss.
Aren zieht an meinen Haaren. »Sieh hin, verdammt!«
Seine Klinge schneidet in meinen Hals. Ich reiße die Augen auf.
»Ich werde es tun«, knurrt er mir ins Ohr.
Das Metall dringt durch meine Haut. Ich habe zu große Angst, um den Schmerz zu registrieren, bin zu überrascht, um zu protestieren oder zu betteln. Eine warme, dicke Flüssigkeit rinnt meine Kehle hinunter.
»Lies sie!«
Ich starre die Schatten an. Meine Hand bewegt sich. Ich weiß nicht, was ich tue, bis sich der Maßstab meiner Karte ändert.
Rote Tropfen fallen auf das Blatt und kennzeichnen die Ränder eines Waldes auf der Westseite der Derrdyn-Berge. Kyol ist dort. Meine Karte ist genau genug, sodass Aren ihn erreichen kann, bevor er den nächsten Riss öffnet. Ich kann mein Leben mit nur einem Wort retten.
Ein weiterer roter Tropfen fällt auf die Karte. Ich spüre die Klinge nicht, nur die warme Feuchtigkeit, die beweist, dass Aren bereit ist zu töten.
Er mag dazu
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