Die Schattenmatrix - 20
ich glaube, dass es mit vollem Magen auch nicht viel besser ist.«
Was für eine Kraft! Das hätte ich nie gedacht.
Der Mann auf der Liege blickte auf, seine Augen strahlten beinahe. »Ich danke dir, Margarethe - auch wenn deine Methoden ziemlich grob sind.«
Marguerida hob den Kopf von Mikhails Schulter und funkelte den Mann an. »Ich wusste kaum, was ich da tat«, murmelte sie barsch und sah gleichzeitig zufrieden und irritiert aus. Dann streckte sie ihm die Finger ihrer linken Hand entgegen. »Ich habe noch nicht gelernt, wie man dieses Ding richtig benutzt.«
»Du machst das besser, als du denkst.« Der Mann seufzte. »Mir bleibt nur noch wenig Zeit, und es gibt noch so viel zu tun.« »Dann solltet Ihr lieber sofort damit anfangen«, fuhr ihn Marguerida an.
Der Mann lachte leise über ihren Rüffel. »Ich bin Varzil Ri-denow, und ich habe euch durch die Zeit hierher geholt.«
»So viel haben wir bereits erraten. Aber wieso?«
Mikhail wartete auf eine Antwort, während Varzil eine Hand unter der Decke hervorschob. Ein prächtiger Ring glitzerte an seinem Finger, die größte Matrix, die Mikhail je an einem Menschen gesehen hatte. Ihr Licht blendete ihn, und er musste den Blick abwenden. »Deshalb.«
»Eure Matrix?«
»Ja. Ich muss sie dir geben, bevor ich sterbe.«
»Ihr könnt mir Eure Matrix nicht geben! Sie würde uns alle beide umbringen!«
»Wirklich?« Varzil schien belustigt zu sein. »So wie der Schlussstein deine Begleiterin umgebracht hat?«
»Das ist etwas anderes! Marguerida hat … ich weiß nicht, was genau passiert ist, obwohl ich dabei war, als sie den Stein aus dem Spiegelturm gezogen hat. Er stammt aus der Oberwelt, nicht aus …« Mikhail geriet ins Stocken.
Wie das Schwert von Aldones war auch der Matrixring von Varzil dem Guten Gegenstand von Legenden. Und das Schwert war nichts als eine Legende gewesen, bis Regis Hastur es gegen die Sharra-Matrix schwang. Doch Varzils Ring war verschwunden, und es gab verschiedene Versionen über seinen Verbleib, aber niemand kannte die Wahrheit.
Mikhail zermarterte sich ergebnislos das Gehirn. Er musste zu viel gleichzeitig aufnehmen und spürte, dass er nicht in Ruhe nachdenken konnte. Von dem darniederliegenden Varzil empfing er verzweifelte Hilferufe. Widerwille regte sich in Mikhail - das hier war ja noch schlimmer als die Regentschaft, die ihm Regis ohne zu fragen aufgehalst hatte. Das hier konnte ihn umbringen!
»Ganz recht.« Varzils Worte ließen ihn aufschrecken. »Das könnte es, aber das wird es nicht!«
Die Krähe hüpfte von Mikhails Schulter und flatterte auf das Kissen über Varzils Kopf. Mikhail hatte das Gefühl, als summte ein ganzer Schwärm Bienen in seinem Kopf, wütende Bienen. Er wurde einfach nicht schlau aus dem Ganzen. »Warum wollt Ihr mir Eure Matrix geben?«, brachte er schließlich heraus.
»Weil sie nicht zurückbleiben darf, wenn ich sterbe - Ashara Alton würde sie für sich beanspruchen, und wenn sie damit Erfolg hätte, könnte sie nach Hali zurückkehren. Das ist ihr größtes Ziel, und sie darf es unter keinen Umständen erreichen!«
»Wieso denn nicht?« Mikhail war nicht gewillt, lockerzulassen, bevor er eine befriedigende Antwort bekam.
»Wenn Hali stehen bleibt, wird die Welt, die ihr kennt, nie existieren.«
»Ich glaube, ich verstehe«, sagte Marguerida leise. »Als ich Ashara damals im Geiste begegnet bin, wollte sie mich mit aller Macht daran hindern, dass ich sie zerstöre - und wenn ich nie existierte, hätte sie nichts zu befürchten. Obwohl ich sie
seinerzeit in ihrer Oberwelt besiegt habe, könnte sie jetzt, in dieser Zeit, dennoch … mein Kopf schmerzt!« Ihre Ruhe war dahin, zu viele Gedanken rasten durch ihren Geist. Mikhail erkannte, dass sie kurz vor einer Ohnmacht stand.
Er nahm sie in die Arme und trug sie zum Tisch. Dann setzte er sie auf einen schiefen Stuhl und drückte ihr den Kopf zwischen die Knie. »Atme tief durch!« Er hörte gedämpften Protest. »Hör auf zu widersprechen. Du da, bring der Damisela etwas zu essen!« Gehorsam schlurfte das alte Weib mit einer Schüssel köstlich duftendem Eintopf und einer Scheibe Brot herbei. Mikhail half Marguerida, sich aufzusetzen, und hielt ihr einen geschnitzten Löffel hin, der auf dem Tisch gelegen hatte. Sie führte einen Esslöffel Eintopf an den Mund. »Autsch! Das ist ja heiß!«
Die alte Frau stellte einen Krug auf den Tisch, über dessen Rand Wasser schwappte. Mikhail goss zwei Becher ein. Das Wasser schmeckte süß und frisch und war das
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