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Die Schattenmatrix - 20

Die Schattenmatrix - 20

Titel: Die Schattenmatrix - 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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könnte auch die Mädchen prüfen, was für ihn äußerst unschicklich wäre. Sie könnten seine Töchter sein, und damit waren sie für ihn tabu.
Wenn er doch nur einen Gedanken richtig zu Ende denken könnte! Kaum hatte Mikhail diese Überlegung angestellt, fühlte er wieder die vertraute geistige Erschöpfung, die Teilnahmslosigkeit und die Verzweiflung. Er kämpfte gegen dieses Gefühl des Verlorenseins, der Nutzlosigkeit und der Angst an, das jede wache Stunde an ihm nagte. Er hatte ja keine Zeit für seine eigenen Sorgen.
Mikhail setzte sich auf den Rand von Emuns Bett und ergriff die kleine, zitternde Hand. Die anderen Jungen schliefen in dem großen Bett oder taten zumindest so. Emuns nächtliche Albträume traten so häufig auf, dass seine Schreie die anderen kaum mehr aufweckten. Er musterte das Kind eingehend. Emuns Pupillen waren wie glühende Nadeln im flackernden Licht der Kerze neben dem Bett, und er starrte Mikhail an, ohne ihn zu erkennen. Tränen liefen ihm über die Wangen, und er war eiskalt und schweißgebadet. Becca schlurfte brummelnd ins Zimmer. Sie stöhnte und warf ein kleines Holzscheit in das Feuer im Ofen. Dann stellte sie einen Topf mit Wasser darauf, um Tee aufzubrühen.
»Was ist denn los, Emun?«
Der Junge antwortete nicht sofort. Er blickte in die dunklen Zimmerecken und schien nur darauf zu warten, dass ihn jeden Moment etwas ansprang. Er hielt Mikhails Hand fest, als klammerte er sich ans Leben. Dann normalisierte sich sein Blick jedoch wieder, und seine schmalen Schultern entspannten sich. »Ich weiß es nicht. Etwas Böses ist hier drin.«
Mikhail wartete. Die jüngeren Kinder waren alle fest davon überzeugt, dass Geister durchs Haus spukten. Er hatte sich seit seiner Ankunft ein wenig mit der Geschichte von Haus Halyn vertraut gemacht. Es war vor vier Generationen für die Mutter eines Elhalyn gebaut worden, die ihre Schwiegertochter nicht ausstehen konnte. Einer der Arbeiter aus dem Dorf hatte be
hauptet, die längst verstorbene Frau wandle immer noch umher, und geschworen, er habe sie schon oft gesehen. Wie man sich erzählte, war Maeve Elhalyn eine entschlossene Frau gewesen, die keinen Widerspruch duldete, sie war der Schrecken ihrer Kinder und Enkel. Es könnte tatsächlich ihr Geist gewesen sein, dachte Mikhail, oder der jener Magd, die sie angeblich in einem Wutanfall ermordet hatte. Das Haus war so abgelegen, dass Maeve eine ganze Schar von Dienern hätte umbringen können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.
Manchmal hatte er das Gefühl, dass es hier wirklich spukte, genau wie in Armida, wenngleich die Gespenster der Altons alle eher gutmütiger Natur waren. Er hatte ein paar Mal irgendwelche Gegenstände durch die Flure schweben sehen, dass er eine Gänsehaut bekam, und ein Stöhnen gehört, das sicher nicht einem kindlichen Streich entsprang. Mikhail hatte keine besonders lebhafte Fantasie, deshalb versuchte er stets logische Erklärungen zu finden, etwa dass sich das Haus senkte oder der Wind durch die Mauern pfiff. Aber er konnte nicht leugnen, dass Haus Halyn mit dem Schwefelgeruch, der bei Nordwind von den Quellen herüberwehte, und mit all den dunklen Ecken ein unheimlicher Ort war. »War es ein Traum oder etwas anderes?« Mikhail stellte die Frage sehr leise. Er griff hinter Emun und schüttelte die Kissen auf, dann bettete er den Jungen wieder darauf. Becca stellte eine gesprungene Tasse mit süß duftendem Tee auf den Nachttisch. Die alte Frau zupfte die Decken zurecht, wobei sie Mikhail mit einem finsteren Blick klar machte, dass er dazu nicht fähig war, dann deckte sie Emun leise murmelnd zu. Der Gestank nach faulen Zähnen drang aus ihrem Mund, und Mikhail versuchte nicht weiter darauf zu achten.
»Da war etwas im Zimmer - ein Geist -, und der wollte mich holen«, antwortete Emun. Er nahm die Tasse vom Nacht
tisch und trank hastig, dann hustete er, weil er sich am Tee verschluckt hatte.
Mikhail klopfte dem Knaben auf den schmalen Rücken. Als Emun wieder Luft bekam, fragte Mikhail: »Warum sollte ein Geist dich holen wollen, Emun?«
»Er war zornig«, antwortete der Junge, als erklärte das alles. »Ach so. Zornig auf dich oder einfach nur so?«
Emun dachte über die Frage nach und sank dabei in die Kissen zurück. Er schien sich langsam zu beruhigen, worüber Mikhail sehr dankbar war. In der letzten Zeit war er oft nur noch durch starke Kräuter zu beruhigen gewesen, die ihn für den nächsten Tag träge und benommen machten.
»Er hat versucht mich

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