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Die Schattenplage

Die Schattenplage

Titel: Die Schattenplage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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in Ruhe«, sagte Doren sanft. »Wir sind beste Freunde.«
    »Es wird nicht lange dauern«, knurrte Newel mit seiner kehligen Stimme.
    Seth wollte rufen: »Komm und hol mich, du ziegengesichtiger Psychopath!«, aber obwohl sein Mund sich bewegte, kam kein Laut heraus.
    Brüllend stürzte Newel sich auf Doren, der sich umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung wie Mendigo rannte. Anscheinend hatte Newel mehr Interesse daran, hinter seinem Freund herzujagen, als den Samoaner zu verfolgen, denn er würdigte Tanu und Mendigo keines Blickes. Doren stürmte durchs Unterholz davon, Newel blieb ihm dicht auf den Fersen. Da bemerkte Seth zum ersten Mal, dass Newel eine Art dünner Schattenschnur hinter sich herzog. Die wabernde schwarze Linie schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch bis außer Sichtweite.
    Seth blieb allein auf der kleinen Lichtung zurück und schwebte einige Zentimeter über dem Boden. Immer wieder lösten sich kleine nebelartige Schwaden von seinem Körper, um sich dann sofort wieder mit der Dunstwolke zu vereinen, in die er sich verwandelt hatte. Er versuchte noch einmal, sich zu bewegen, schwenkte Arme und Beine, und obwohl er nicht mehr Halt fand als zuvor, begann Seth vorwärtszugleiten. Bald fand er jedoch heraus, dass es gar nicht darum ging, Arme oder Beine zu bewegen: Er brauchte lediglich die Absicht zu haben, sich in eine bestimmte Richtung zu begeben, dann begann er allmählich dorthin zu driften.
    Mit herabhängenden Armen und regungslos baumelnden Beinen glitt Seth langsam hinter Tanu her und hoffte, das Haus zu erreichen, bevor er sich wieder verfestigte, für den Fall, dass Newel beschloss zurückzukehren. In seinem gasartigen Zustand hätte er sich zwar von den Wegen entfernen und in gerader Linie durch den Wald schweben können, aber die Wege waren ebenfalls ziemlich direkt, und Seth fand das Gefühl, sich durch Zweige und andere Hindernisse zu bewegen, nicht besonders angenehm. Seine Höchstgeschwindigkeit kam kaum einem gemächlichen Schlendern nahe, und so war er während des ganzen mühsamen Marsches nervös. Er fragte sich, was Tanu gerade tat, ob Doren seinem verwandelten Freund entkommen war und was er tun sollte, falls Newel wieder auftauchte. Aber Newel kam nicht zurück, und Seth blieb gasförmig, bis er durch den Garten und auf die Veranda schwebte.
    Tanu öffnete die Tür und ließ ihn ins Haus. Mendigo wartete in der Nähe, einen tiefen Riss in einem hölzernen Unterarm. Tanu wirkte besorgt. »Konnte Doren entkommen?«, fragte er.
    Außerstande zu sprechen, zuckte Seth die Achseln und umschloss seine Daumen mit der Faust.
    »Ich hoffe es ebenfalls. Ich denke, meine Wunde könnte ein Problem werden. Sieh sie dir an.« Tanu hielt seinen fleischigen Arm hoch. Da war kein Blut, aber ein großer Teil des Unterarms sah eher aus wie ein Schatten denn wie Fleisch.
    »Oh nein!«, formte Seth mit den Lippen.
    »Er wird unsichtbar«, fuhr Tanu fort. »Wie bei Coulter, nur langsamer. Ich habe keine Ahnung, wie ich es aufhalten soll.«
    Seth schüttelte den Kopf.
    »Keine Sorge. Ich erwarte nicht, dass du die Lösung weißt.«
    Seth schüttelte heftiger den Kopf. Er driftete zu einem Regal hinüber, deutete auf einen schwarzen Aktenordner und dann auf Tanus Arm.
    »Du willst, dass ich Notizen über meinen Arm mache? Ich werde es dir überlassen, die anderen zu informieren. Du wirst schon bald wieder einen festen Körper haben.«
    Seth schaute sich im Raum um. Er glitt zu einem Fenster hinüber, wo das Licht von draußen einen Blumentopf einen Schlagschatten werfen ließ. Er zeigte auf den Schatten, dann deutete er auf Tanus Arm.
    »Schattenhaft?«, fragte Tanu. Langsam zeichnete sich Erkenntnis auf seinen Zügen ab. »Mein Arm sieht für dich schattenhaft aus, nicht unsichtbar. So wie du Coulter als einen Schattenmann sehen kannst.«
    Seth reckte einen Daumen hoch.
    »Ich sollte besser nach draußen gehen, für den Fall, dass ich böse werde wie Newel.«
    Tanu trat auf die Veranda hinaus, und Seth schwebte hinter ihm her. Gemeinsam standen sie da und starrten schweigend in den Garten. Ein schäumendes Gefühl wogte durch Seth, und es kribbelte überall, als wäre er eine Flasche Limonade, die jemand geschüttelt hatte, bis sie wild überschäumte. Nach einem leisen Zischen hörte das Kribbeln auf, und Seth fand sich auf der Veranda stehend wieder. Sein Körper war wieder fest geworden.
    »Das war ziemlich cool«, bemerkte Seth.
    »Einzigartiges Gefühl, nicht wahr?«, sagte Tanu.

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