Die Schattenplage
Geschöpfe Fabelheims verwandelt hat, vermochte es nicht, den Geist von Coulter und Tanugatoa zu brechen.«
»Gut zu wissen«, erwiderte Seth.
Graulas hielt inne, die Augen immer noch geschlossen, und sein Atem war deutlich hörbar. »Interessierst du dich für meine Einsichten bezüglich der Frage, wie die gegenwärtigen Schwierigkeiten in Fabelheim ihren Anfang genommen haben?«
»Hatte es etwas mit dem Gefangenen zu tun, den der Sphinx freigelassen hat?«
Graulas öffnete die Augen. »Sehr gut. Kennst du zufällig die Identität des Gefangenen?«
»Also ist der Sphinx wirklich ein Verräter?!«, rief Seth. »Nein, keiner von uns wusste, wer der Gefangene war. Weißt du es?«
Graulas leckte sich die Lippen; seine Zunge war bläulich angelaufen und voller wunder Stellen. »Seine Präsenz war unverkennbar, obwohl die meisten nicht in der Lage gewesen wären, seine wahre Identität zu erspüren. Es war Navarog, der Dämonenprinz, Fürst der Drachen.«
»Der Gefangene war ein Drache?«
»Der erste aller dunklen Drachen.«
»Er sah aus, als hätte er die Gestalt eines Menschen gehabt.«
»Er war selbstverständlich getarnt. Viele Drachen können menschliche Gestalt annehmen, wenn es ihnen beliebt. Navarog hat auf diesem Besitz seine wahre Form nicht wieder angenommen. Was er in Fabelheim getan hat, war von verstohlener Natur.«
Seth setzte sich wieder auf das umgestürzte Bücherregal. »Du sagst ›war‹. Ist er fortgegangen?«
»Er hat Fabelheim am selben Tag verlassen, an dem der Sphinx ihn befreit hat«, antwortete Graulas. »Er wurde niemals offiziell in das Reservat aufgenommen, und so konnten die Mauern ihn nicht aufhalten. Aber er ist erst fortgegangen, nachdem er etwas getan hatte. Zuerst ist er in den Hain gegangen und hat den Nagel geholt. Der dunkle Talisman hatte sich bereits tief in den Boden gegraben, was der Grund ist, warum Tanugatoa ihn übersehen hat, aber als er gerufen wurde, kam er an die Oberfläche. Dann hat Navarog den Nagel zu Kurisock gebracht.«
»Dem anderen Dämon?«
»Es gibt wenige Orte in Fabelheim, die meine Sinne nicht durchdringen können. Einer davon sind das Haus und der Garten, in dem du mit deinen Großeltern lebst. Ein weiterer ist das Herrenhaus, das einst die Residenz des Verwalters war. Und ein dritter ist das winzige Reich, das Kurisock beherrscht. Ich kann nicht genau sagen, was Navarog mit dem Nagel gemacht hat, aber er hatte ihn bei sich, als er Kurisocks Reich betrat, und als er wieder ging, befand sich der Talisman nicht länger in seinem Besitz. Nachdem er den Nagel abgeliefert hatte, floh Navarog aus dem Reservat.«
»Wo ist er von hier aus hingegangen?«, wollte Seth wissen.
»Seit ich mich an dieses Reservat gebunden habe, kann ich nicht mehr über seine Grenzen hinausschauen«, erklärte Graulas. »Ich habe keine Ahnung, wo ein so mächtiger Drache wie Navarog hingegangen sein könnte.«
»Also muss ich, um Fabelheim zu retten, Kurisock aufhalten«, sagte Seth.
»Es wäre faszinierend zu beobachten, wie du dich im Kampf gegen ihn halten würdest«, murmelte Graulas mit einem Glitzern in den Augen. Etwas an seinem Blick sagte Seth, dass der Dämon irgendwie mit ihm spielte. »Frag mich nicht, warum Navarog zu Kurisock gegangen ist. Wenn Kurisock große Taten vollbracht hat, habe ich nichts von ihnen gehört. Er mag sich gelegentlich als Zerstörer hervorgetan haben, aber ihm fehlen die Fähigkeiten eines Meisterstrategen. Es gab mal eine Zeit, da hätte Navarog den Talisman direkt zu mir gebracht.«
»Willst du mich also nur benutzen, um einen Rivalen auszuschalten?«
»Einen Rivalen?«, knurrte Graulas und kicherte beinahe. »Ich habe vor langer Zeit aufgehört, mich an anderen zu messen.«
»Wie halte ich Kurisock auf?«
»Kurisock ist mehr Schatten als Substanz. Um mit der materiellen Welt wechselwirken zu können, bindet er sich an einen Wirt. Als Gegenleistung für den geborgten Körper stattet er den Wirt mit Macht aus. Je nachdem, mit wem Kurisock sich auf symbiotische Weise vereint, können die Ergebnisse beeindruckend sein.«
»Dann arbeitet er also nicht allein.«
»In meinen langen Jahren habe ich nie erlebt, dass die Dunkelheit Wesen so epidemisch verwandelt, wie es in diesem Reservat geschieht. Ich weiß nicht, wie das bewerkstelligt wird. Aufgrund eines bindenden Eides kann Kurisock sein Reich hier in Fabelheim nicht verlassen. Er muss sich mit einer mächtigen Wesenheit zusammengetan haben, und der Nagel muss seine Fähigkeiten
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