Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
konnte.«
Sein Lächeln erstarb. »Ich wünschte, ich könnte all das für dich ungeschehen machen.«
»Ungeschehen?« Sie brach ein größeres Sandwich-Stück ab und bot es ihm an, doch er schüttelte den Kopf, und so schob sie es sich selbst in den Mund. »Wie? Warum?«
»Ginge es nach mir, wärst du bei Eltern aufgewachsen, die dich nie im Stich gelassen hätten. Du würdest Vampire für Phantasiewesen halten und jeden Tag in hübschen Kleidern herumlaufen, während sich Hunderte Verehrer um deine Gunst bemühen.«
Auf einmal brannten Tränen in Marikas Augen. »Das klingt wundervoll.« Nur wie wollte er in dieses Bild passen?
»Ich würde dir all das geben, wenn ich könnte«, erklärte er achselzuckend.
»Aber dann wären wir uns nie begegnet.«
»Und du wärst in Sicherheit«, fügte er ernst hinzu. »Du brauchtest nicht mit einem grün und blau geschlagenen Gesicht hier zu sitzen.«
Sie stellte den Teller mit dem Sandwich zurück auf den Nachttisch, weil ihr der Appetit vergangen war. »Doch ich würde dich nicht kennen.«
Sein mattes Lächeln war bestenfalls selbstironisch. »Ich glaube nicht, dass das unter den gegebenen Umständen so schlimm wäre. Du etwa?«
»Ja.«
»Marika …« Er wandte das Gesicht ab.
»Würdest du dir wünschen, dass es mich in deinemLeben nicht gäbe, Bishop? Falls ja, brauchst du es bloß zu sagen.« Ihr Hals war wie zugeschnürt. »Dann werde ich gehen, und du brauchst dir nie wieder Sorgen um mich zu machen.«
Mit einem geschmeidigen Satz sprang er auf, packte sie bei den Armen und zog sie hoch, so dass sie auf dem Bett kniete. Gleichzeitig drückte er sie mit einem Ausdruck an sich, der ihr den Atem raubte und bei dem ihr so warm wurde, dass es überall in ihrem Innern kribbelte.
»Verlass mich, und ich werde dich suchen!«, schwor er mit tiefer Stimme. »Du kannst nirgends auf der Welt hingehen, wo ich dich nicht finden würde!«
O Gott!
Ebenso gut hätte er ihr sagen können, sie wäre sein Besitz. Sie müsste aufbegehren. Schließlich war sie es gewohnt, selbst über sich zu bestimmen, und daran sollte sie ihn erinnern.
Stattdessen aber sah sie ihm in die Augen und erklärte ernst: »Ich gehe nirgendwohin.«
Im nächsten Moment waren seine Lippen auf ihren, so fest und fordernd, dass Marika unweigerlich einen Wimmerlaut ausstieß.
Bishop hob erschrocken den Kopf. »Habe ich dir weh getan?«
»Ja«, murmelte sie gegen seinen Mund und schlang die Arme um seinen Hals. »Tu es noch mal!«
Victor Armitages Leben verblasste, und das so schnell, dass kaum mehr etwas von ihm übrig war.
Hätte der Treppensturz ihn doch nur getötet, aber leider brach er sich dabei bloß einige Knochen.
War das die Strafe, weil er es nicht geschafft hatte, denDhampir gefangen zu nehmen? Würden sie ihn foltern, bis nichts mehr an ihm zu zerstören war, um ihn dann zu töten? Und wie lange sollte das noch dauern? Wie viel länger könnte er sich an einem Rest seiner selbst festhalten? Vor allem aber war die Frage, wie bald er einfach loslassen und dem Ganzen ein Ende bereiten konnte. Die Vampire, die ihn bewachten, lachten jedes Mal, wenn sie ihn zu Gott beten hörten. Inzwischen tat er es nur noch stumm, und einige der Dinge, die er sagte, waren weniger christlich, als sie sollten.
Maxwell hatte er nicht mehr gesehen, seit der Schurke ihn die Treppe hinunterstieß. Sein Hals war einer von mehreren, die er mit Freuden umdrehen würde, sollte er je diesem Kerker entkommen. Er würde ihn langsam töten, ihm genüsslich jeden einzelnen Knochen brechen.
Und danach würde er diesen Dhampir jagen – die kleine Schlampe. Wäre sie nicht gewesen, müsste er jetzt nicht leiden. Er würde jedenfalls nicht einfach aufgeben.
Ja, von ihm war kaum mehr etwas übrig, und das, was noch da war, machte ihm eine Höllenangst. Sie töteten ihn nicht. Sie taten ihm etwas viel, viel Schlimmeres an.
Kapitel 14
Am folgenden Abend bereiteten Marika und Bishop sich für die Abendesseneinladung bei Marikas Großmutter vor. Früher am Tag hatte Marika die alte Dame besucht. Sie wollte sie überreden, für ein paar Tage die Stadt zu verlassen, zumindest so lange, bis Marika sicher sein konnte, dass ihr Leben nicht in Gefahr war.
Ihre Großmutter jedoch hatte felsenfest behauptet, sie fürchtete sich nicht vor dem Tod, und wollte nicht fortgehen. Allerdings hatte sie auch versprochen, es sich eventuell zu überlegen, falls Marika mit Bishop zum Abendessen käme. Marika stellte keine
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