Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
weshalb sie mich kennenlernen will?«, fragte Bishop, als sie zur Hintertür gingen.
»Vielleicht will sie sehen, ob du auch gut genug für mich bist«, antwortete sie keck.
Bishop lachte leise. »Ja, natürlich. Dass ich darauf nicht selbst gekommen bin!«
Wenige Momente nach Marikas Klopfen hörten sie die Schritte ihrer Großmutter von drinnen.
Bunica
öffnete die Tür, und nachdem sie sich wie üblich begrüßt hatten, stellte Marika Bishop vor, den einzigen Mann, den sie je mit nach Hause gebracht hatte. Nicht einmal ihr Verlobterwar so eingeführt worden. Aber den hatte ihr Vater ja auch für sie ausgesucht.
Erst als sie im Haus waren und die Tür hinter ihnen wieder verschlossen, fiel Marika auf, dass ihre Großmutter sich seltsam benahm. Im selben Augenblick umfasste Bishop ihren Arm mit einer Hand.
»Es ist jemand hier«, flüsterte er ihr zu.
Marika bekam Angst, die sich sogleich in Wut verwandelte. Ihr Kiefer schmerzte, während ein Gefühlstumult in ihr ausbrach. Sollte diese Person ihre Großmutter benutzen, um an sie heranzukommen, würde sie es zutiefst bereuen.
»
Bunica
«, sagte sie leise, »hast du noch einen Gast?«
Irina drehte sich zu ihnen und rang die Hände auf eine schuldbewusste Art, wie nur Großmütter es können. »Er sagte, er müsse dich sehen, Mari. Er meinte, dein Leben sei in Gefahr.«
Als sie um die Ecke und in den kleinen Salon gingen, sah Marika den Mann auf der Couch sitzen, eine Hand auf seinen Schenkeln. Bishop erblickte ihn ebenfalls und knurrte kaum hörbar.
Es war ihr Vater.
Bishop stellte sich vor Marika und schirmte sie so mit seinem Körper ab, nur für den Fall, dass sein Verdacht gegen ihren Vater begründet war.
Auf Constantin Korzhas Gesicht spiegelte sich eine Vielzahl von Ausdrücken. Verschlagenheit indessen war nicht darunter. Bishop sah – und fühlte – Angst, Unsicherheit und einen tiefen Kummer, aber keine Wut, keinen Hass.
Marika drängte sich an ihm vorbei und bedachte ihn mit einem bitterbösen Blick. Heute Abend war sie fürwahr eine kleine Schnepfe. Er könnte es ebenso gut gleich aufgeben, denn was er auch tat, er konnte es ihr heute einfach nicht recht machen.
Gott, er betete sie an!
»Papa«, sagte sie und ging auf ihren Vater zu, dicht gefolgt von Bishop. »Was tust du hier?«
Constantin nickte Irina zu. »Ich wollte dich sehen, also kam ich zu deiner Großmutter und bat sie, ein Treffen zu arrangieren.«
Bishop war nicht überrascht, Marika hingegen schon. Sie starrte ihre Großmutter mit offenem Mund an. »Du hast uns zum Abendessen eingeladen und gewusst, dass er hier sein würde?«
Die alte Frau, deren schlechtes Gewissen nicht zu übersehen war, nickte zaghaft. Bishop fand es nur angebracht, dass sie sich elend fühlte. Sie hatte ja keine Ahnung, in welche Situation sie Marika bringen könnte.
»Sei nicht böse auf deine Großmutter, Marika! Ich sagte ihr, dass ich unbedingt mit dir sprechen muss.«
Bishop sah den Mann prüfend an. »Sie sagten ihr, dass Marikas Leben in Gefahr sei?«
Constantin nickte und hielt Bishops Blick erstaunlich gut stand – für einen Menschen, dem jeden Moment das Genick gebrochen werden könnte. »Ja, das sagte ich.«
»Haben Sie auch erwähnt, dass
Sie
die Gefahr sind?«
Irina hielt hörbar die Luft an, aber Bishop und Marikas Vater ignorierten sie. Die beiden Männer starrten einander an wie zwei Raubtiere, die sich auf einen tödlichen Kampf vorbereiteten.
»Nein. Ich denke, je weniger Irina weiß, umso sicherer ist es für sie.«
»Wie edelmütig!« Bishop konnte nicht umhin, sarkastisch zu werden. »Sie wollten nicht, dass sie weiß, in welcher Verbindung Sie zu den Männern stehen, die Marikas Dorf überfielen.«
Er hörte ein leises Schluchzen. Irina bescherte der Abend einige Überraschungen.
»Nein«, erwiderte Constantin, »wollte ich nicht, aber das haben Sie ja nun für mich erledigt. Sie sind selbst eine recht edelmütige Kreatur, will mir scheinen.«
Mit geballten Fäusten trat Bishop einen Schritt vor. In Irinas Haus und vor Marika würde er den Mann nicht töten, ganz gleich, wie sehr er fand, dass er es eigentlich sollte. »Reden Sie nicht mit mir, als wäre ich hier der Schurke. Sie wussten, dass diese Männer hinter Marika her waren. Haben Sie ihnen gesagt, wo sie Ihre Tochter finden?«
»Bishop!« Marika hörte sich an, als wollte sie ihn ohrfeigen, aber er wagte es nicht, sie anzusehen. Unterdessen bewegte sie sich näher zu ihrem Vater und außer Reichweite
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