Die Schattenseherin: Roman (German Edition)
wie Dumas’ Hände sich von ihr lösten, und atmete harsch ein, als das Licht verschwand und sie für einen Moment blind zurückließ, ehe ihre Augen sich wieder an das Halbdunkel der Straßenlaternen gewöhnt hatten.
»Ist das Antwort genug auf Ihre Frage, Zoe?«, fragte Dumas sanft und strich über ihren Kopf.
Zoe spürte, dass sie zitterte, und brachte ein Nicken zustande. »Kann ich auf Ihre Hilfe zählen?«
»Sagen Sie mir erst, wie genau ich Ihnen helfen soll«, murmelte Zoe und wagte noch immer nicht, Dumas wieder anzusehen. Es half ihr, sich auf einfache Schritte zu konzentrieren. Er war ein Engel. Er hatte sie angerufen, weil er ihre Hilfe brauchte. Sie musste nun erfahren, worin diese Hilfe bestand. Alles ganz einfach also.
»Wie schön, Sie haben sich Ihren kühlen Verstand erhalten. Die meisten Menschen reagieren bei ihrer ersten Begegnung mit einem Engel ...«
»Verrückter?«
»Ehrfürchtiger.« Dumas berührte ihren Arm. »Ich lege Ihnen aber gerne dar, wofür ich Sie genau brauche. Ich sprach bereits von dem Mörder, den ich suche. Er tötet Engel, ohne dabei Reue oder ein Gewissen zu zeigen. Wir haben ihn bereits früher gejagt, aber dann ist er sehr lange verschwunden, bis er hier in Edinburgh wieder aufgetaucht ist.«
»Der Mord letzte Nacht, im Wark ...«
»… war sein Werk. Sie konnten sich selbst von seinem blutigen Vorgehen überzeugen.«
Zoe schauderte bei der Erinnerung an den Tatort.
»Sie haben in diesem Fall auch den Tod nacherlebt, nicht wahr? Konnten Sie irgendetwas erkennen, das einen Hinweis auf den Mörder gegeben hätte?«
Zoe schüttelte den Kopf. »Nein. Der Täter stand im Schatten. Aber er sprach von einer Rune, die gebrochen worden war, und er nannte das Opfer Ezekiel.« Sie wandte den Kopf und war erstaunt, dass Dumas noch immer so aussah, wie sie ihn gerade gesehen hatte – ein glattes, aber eindeutig menschliches Gesicht. Nach seiner Offenbarung hatte sie mit etwas Göttlicherem gerechnet.
»Das ist immerhin etwas. Ich habe aber die Befürchtung, dass dies nicht sein letztes Opfer war. Ich möchte daher, dass Sie für mich weitersuchen. Es ist untragbar, dass weitere Engel sterben wegen dieses Psychopathen. Sollte es weitere Leichen geben, werde ich Sie darüber informieren, und wir könnten so gemeinsam eine brauchbarere Spur finden.« Er sah Zoe an. »Natürlich müssten Sie diese Arbeit nicht umsonst tun.«
»Sie wollen mich bezahlen? An wie viel Pfund hatten Sie denn gedacht?«
Dumas schmunzelte. »Ich bin ein bisschen enttäuscht – glauben Sie wirklich, ich würde Sie mit etwas so Schnödem wie Geld bezahlen? Ich kann Ihnen mehr geben, Zoe.«
Wenn er ihren Namen nannte, war es, als strichen Fingerspitzen ihr nacktes Rückgrat entlang. »Und was?«, fragte sie leise und stellte den Kaffeebecher auf den Boden.
»Ein Ende des Schmerzes. Es heißt, Zeit heilt alle Wunden, aber sie braucht so quälend lange dafür. Ist es nicht so, Zoe? Ich könnte dafür sorgen, dass der Schmerz sofort verschwindet.«
Zoe starrte Dumas an. Natürlich wusste er auch von ihrem Liebeskummer, aber konnte er den Schmerz wirklich verschwinden lassen? Einfach so? Sie war nicht einmal überrascht, dass er davon wusste. An schlechten Tagen hatte sie das Gefühl, jeder konnte es von ihrem Gesicht ablesen. Sie war sicher nicht die einzige Frau, deren Freund es mit der Treue nicht so genau nahm. Sicherlich gab es mehr als nur einen Kerl in der Welt, der sich für seine Untreue ausgerechnet die beste Freundin aussuchte. Aber Zoe war die einzige Zoe in ihrem Leben. Und diese Zoe wurde damit nicht fertig. Es schmerzte, an jedem Tag.
»Willigen Sie ein, Zoe?«, riss Dumas sie aus ihren Gedanken.
»Zeigen Sie es mir«, sagte sie leise. »Erst will ich sicher sein, dass Sie das auch wirklich tun können!«
Dumas beugte sich näher zu ihr. »Noch immer so misstrauisch? Aber gut, ich will Sie nicht wegen Ihres Unglaubens zurechtweisen. Sie sind ein Mensch, Sie brauchen Beweise. Die sollen Sie bekommen. Geben Sie mir Ihre rechte Hand.«
Zoe tat es und ließ zu, dass Dumas sie ergriff. Sorgsam schob er ihren Jackenärmel zurück, bis ihr Handgelenk entblößt war. Mit sanftem Druck presste er zwei Fingerkuppen darauf, und Zoe spürte, wie ihr Herz langsamer schlug. Eine seltsame Ruhe schien sich direkt von Dumas’ Fingern auf sie zu übertragen und breitete sich vom Handgelenk über den ganzen Körper aus.
»Denken Sie jetzt an Adrian«, hörte sie Dumas’ Stimme wie aus weiter Ferne,
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