Die Schattenseherin: Roman (German Edition)
langsam wieder einigermaßen fit und bereit, es mit der Welt aufzunehmen. Auch wenn sie dafür nicht mehr allzu viel Zeit hatte. Bald war es Nacht, und entweder bekam Zoe wieder einen Anruf oder sie würde die kommenden Stunden mit einer Wiederholung von diversen Desperate Housewives -Episoden totschlagen müssen. Eingekuschelt in ihren Bademantel und auf dem Sofa sitzend erschien Zoe die letzte Möglichkeit immer attraktiver. Sie stand auf und schaltete einige Lichtleisten am Boden an. Diese bestrahlten die Wände in verschiedenen Pastellfarben und malten die weißen Wände bunt an. Genau der richtige Abend, um sich wie ein Mädchen zu fühlen.
Zoe machte es sich gerade gemütlich, als es laut an ihrer Tür klopfte. Sie erhob sich und sah aus dem Türspion. Überrascht fuhr sie zurück, als sie Dumas entdeckte. Er wartete geduldig vor der Tür, aber als sich nichts tat, klopfte er abermals. Zoe zog die Tür so weit auf, wie die eingehakte Sicherheitskette es zuließ. »Was tun Sie hier?!«, fragte sie entgeistert und hoffte, dass keiner ihrer Nachbarn gerade sah, wie sie einem attraktiven Mann nur im Bademantel die Tür öffnete. Der Klatsch würde monatelang kein Ende nehmen.
Dumas hatte die Höflichkeit, so zu tun, als würde er ihre Aufmachung nicht bemerken, und nickte freundlich. »Ich brauche Sie schneller als gedacht. Können wir das vielleicht drinnen besprechen?«
»Dann warten Sie.«
Zoe schloss die Tür und lief ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Dann erst ließ sie Dumas herein. »Woher wissen Sie, wo ich wohne?«
Er trat in den Flur der Wohnung und sah sich flüchtig um. »Das gehört zu den Fähigkeiten eines Engels«, sagte er ernst. Zoe hob die Augenbraue, und Dumas lächelte. »Ich habe Sie im Internet gefunden. Auf Ihrer Geschäftsseite ist Ihre Adresse als Kontakt angegeben.«
Zoe musste sich davon abhalten, sich die flache Hand gegen die Stirn zu schlagen. Wie konnte sie so blöd sein?
Sie führte Dumas ins Wohnzimmer und zerknüllte dort schnell die Überreste ihres kalten Mittagessens und öffnete ein Fenster, um den Geruch nach Fisch und Fett ein wenig zu vertreiben. Dumas setzte sich auf das Sofa.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Zoe und versteckte das Knäuel aus Verpackungspapier und Styropor hinter ihrem Rücken.
»Gerade nicht«, erwiderte der Engel. »Ich brauche vielmehr Ihre Aufmerksamkeit.«
»Die haben Sie in fünf Minuten.« Zoe drehte sich um und warf das zusammengeknüllte Verpackungsmaterial in der Küche in die Mülltonne. Als sie zurückkam, stand Dumas vor Zoes ausgelegten Lichtröhren und begutachtete sie interessiert. »Sie mögen Licht, wie ich sehe.«
»Es beeinflusst meine Stimmung«, erwiderte Zoe und trat neben ihn. Dumas nickte, als würde ihm die Antwort gefallen. »Der Erste von uns mochte auch Licht. Es war sein Element, und er brachte es den Menschen und allen anderen Wesen in der großen weiten Existenz. Ein strahlender Lichtbringer.«
Zoe verstand nicht, worauf er hinauswollte, und antwortete daher nicht. Dumas räusperte sich ein wenig und wandte seine volle Aufmerksamkeit wieder Zoe zu. »Leider ist das kein Höflichkeitsbesuch, ich brauche Sie als Blutleserin.«
»So schnell schon?«, fragte Zoe entsetzt. Der letzte Mord war nicht einmal 24 Stunden her.
Dumas nickte. »Leider ja. Ich hätte ebenfalls nicht mit einem weiteren Mord in so kurzer Zeit gerechnet, aber leider gibt der Mörder in diesem Fall den Zeitrahmen vor. Wir müssen uns auch beeilen, bevor die Polizei an den Tatort kommt.«
»Können wir nicht einfach abwarten, bis die Leute von der Wache mich anrufen?«
»Ich bedaure, nein. Das Risiko ist zu groß, dass Sie nicht dazugerufen werden. Bei zwei so ähnlichen Morden wird die örtliche Polizei den Fall bald an Scotland Yard verlieren, und Sie sind aus dem Spiel.«
Zoe nickte nur. »Dann gehen wir.«
Dumas besaß einen eigenen Wagen, eine unauffällige schwarze Limousine eines ausländischen Herstellers. Er fuhr ein wenig ungelenk, wie jemand, der sehr lange nicht mehr hinter dem Steuer gesessen hatte und sich nur langsam wieder daran gewöhnte. »Wissen Sie, wer diesmal das Opfer war?«, fragte Zoe. Dumas sah konzentriert auf die Straße. »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Soweit ich weiß, ist es wieder jemand Unsterbliches.«
»Wie haben Sie von dem Mord erfahren?«
Das Auto schlingerte ein wenig, die Straße vor ihnen glänzte feucht. Es musste kurz aber heftig geregnet haben aber Zoe hatte das wohl
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