Die Schattenseherin: Roman (German Edition)
Caes noch er den Schlag kommen, der sie beide bewusstlos zusammenbrechen ließ.
Zoe schlug die Augen auf. Es war dunkel um sie herum, und sie hörte Stimmen. Doch anders als zuvor konnte sie diesmal deutlich spüren, dass sie lag. Ihr Körper schmerzte nicht mehr, und auch die Flammen waren verschwunden. Sie blinzelte, und langsam wich die Dunkelheit schwachem Zwielicht, in dem sie erst nur Umrisse und Schemen erkennen konnte. Als ihre Augen sich an das schwache Licht gewöhnt hatten, konnte sie auch Einzelheiten erkennen.
Ein Mann beugte sich über sie, und Zoe wich instinktiv zurück – er war schön, wahrscheinlich der schönste Mann, den Zoe jemals zu Gesicht bekommen hatte, aber der letzte Mann, den sie nach dem Aufwachen gesehen hatte, hatte sie Höllenqualen ausgesetzt.
»Nicht so temperamentvoll, Liebes«, sagte er und lächelte. Zwei spitze Fangzähne wurden dabei sichtbar, und Zoe wurde es eiskalt. »Du bist gerade erst aus der Verdammnis zurückgekehrt. Da solltest du nicht sofort einen Marathonlauf beginnen.«
»… bist du«, krächzte Zoe und griff sich an den Hals.
Der fremde Mann mit den spitzen Zähnen lächelte noch breiter und strich ihr über das Haar. »Mein Name ist Desmond. Ich bin hier, um dir zu helfen.«
Mühsam setzte Zoe sich auf und bemerkte jetzt erst, dass sie, abgesehen von einem Laken, nackt war. Es war kalt und klamm um sie herum. »Was ist passiert?«, flüsterte sie.
Desmond stützte sie und half ihr anschließend aufzustehen. »Das ist ein bisschen komplizierter.«
»Dann fang mal an«, murmelte Zoe und schlang die Arme um ihren Körper.
Desmond lachte leise. »Kommst gleich zum Punkt, mhm? Cale hat wohl eine Schwäche für so was.«
Die Erwähnung dieses Namens fegte sofort jede Erschöpfung aus Zoes Körper. »Wo ist Cale? Was ist hier eigentlich los?«
Desmond schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Liebes. Als ich hier unten ankam, war von deinem Herzblatt keine Spur mehr zu finden. Und das, obwohl er es war, der mich hergerufen hatte.«
Zoe sah sich um. Die Dunkelheit, die Kälte – sie war schon einmal hier unten gewesen, während einer Exkursion in der Schulzeit. »Die Katakomben«, sagte sie leise und mehr zu sich selbst als zu Desmond. Seltsamerweise beruhigte sie sein Lächeln mit den scharfen Zähnen mehr, als dass es ihr Angst einjagte. Bisher waren es die Männer mit weißen, unschuldig aussehenden Schwingen, die ihr wehgetan und sie belogen hatten. Keine Dämonen.
»Ich muss ihn suchen.«
»Da bin ich ganz deiner Meinung«, erwiderte Desmond und nickte. »Dann lass uns mal mit der Suche beginnen.«
Cale hustete. Das bedeutete, dass er zumindest wieder Herr über seinen eigenen Körper war, wenn er auch nicht viel damit anfangen konnte. Seine Hände waren ihm auf den Rücken gebunden, und sein Schädel brummte, als würde eine Horde Bacchantinnen darin ihre Jahresabschlussfeier halten. Er stöhnte leise, was ihm sofort einen Schlag ins Gesicht einbrachte. »Die verdammte Höllenbrut ist wach«, hörte er eine Stimme sagen, während der Schmerz eines Schlages in seinem Gesicht explodierte.
Die Stimme klang vertraut, aber noch hielt Cale seine Augen geschlossen. Seine schmerzende Gesichtshälfte beanspruchte gerade seine gesamte Aufmerksamkeit.
»Das war nicht nötig«, erwiderte eine weitere Stimme, und diesmal konnte Cale nicht anders, als die Augen aufzureißen. Er hatte sie zu oft gehört, hatte geglaubt, sie nie wieder in seinem Leben hören zu dürfen, und doch waren die Worte laut und deutlich wahrzunehmen. Cale öffnete die Augen. Und dort, ihm direkt gegenüber, sah er die vertraute Gestalt seines besten Freundes Neil. Unversehrt und quicklebendig.
Cale biss die Zähne zusammen. »Du verdammter Hundesohn!«, schrie er.
Neil nahm Cales Ausbruch gelassen entgegen. Der Mann neben ihm lächelte nur höhnisch, und Cale erkannte ihn nun ebenfalls – Dumas.
»Es ist schön zu sehen, dass es dir besser geht«, sagte Neil und kniete sich zu Cale auf den Boden.
Cale spürte tausend Fragen auf seiner Zunge brennen, aber er brachte keine davon heraus. Er wusste nicht, wo Zoe war, was mit dem Mantichor geschehen war, aber vor allem konnte er sich nicht erklären, warum Neil lebendig war und sich mit einem Psychopathen wie Dumas einlassen konnte.
»Lass die Freundlichkeiten – hol es endlich aus ihm heraus«, mischte Dumas sich in das Wiedersehen ein, aber Neil bedeutete ihm, zu warten.
»Mir gefällt auch nicht, wie die Situation sich
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