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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Hunter
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auch, der es wagte zu protestieren, als Gott die Engel den Menschen Untertan machte. Als Luzifer begann, eigene Geschöpfe zu formen, zog sie all seinen Zorn und seinen Hass auf sich.
    Luzifer kreierte Dämonen, Wesen, die in den Träumen der Menschen lebten und sich von deren tiefsten Gefühlen ernährten. Dort fanden sie den göttlichen Funken, den Gott jedem Menschen eingehaucht hatte, und dort lebten sie zufrieden. Bis Dumariels Neid und seine Abscheu zu groß wurde.
    Er begann, andere Himmelsboten gegen Luzifers Kreaturen aufzuhetzen. Er war es, der den ersten Dämon tötete. Und er war es, der Luzifer offen herausforderte.
    Sie war Gottes Erste, dennoch rief sie nicht ihren Vater um Hilfe an, sondern verteidigte mit Freunden und Verbündeten ihre Schöpfung. Caes hatte sich damals auf ihre Seite geschlagen. Nicht aus großer Loyalität – er mochte Luzifer, aber der wahre Grund für seine Entscheidung war eine Dämonin namens Lexa. Er konnte nicht zulassen, dass sie einem der fanatischen Engel zum Opfer fiel. Daher kämpfte er. Und der Himmel erbebte unter den Schlachten zwischen Brüdern und Schwestern, die früher einmal gemeinsam zu Seinen Ehren gesungen hatten.
    Die Kämpfe hielten Jahrhunderte an. Trotz seiner langen Lebenszeit konnte Caes sich noch zu gut an die Kämpfe erinnern. An das Toben der Schlachten, die Sterbenden, die Schreie. Der Lärm der Schlacht. Er hatte so oft gekämpft, so oft zum Schwert gegriffen, Lexa an seiner Seite. Wie sehr er sie geliebt hatte. Der Gedanke an sie schmerzte, aber Caes hielt sich daran fest. Lexa, wunderschöne Lexa, die ihm beistand, die Augen funkelnde Juwelen, das lange blonde Haar besudelt vom Blut ihrer Feinde, ihre Lanze, die einen tödlichen Bogen durch die Luft beschrieb.
    Sie hatte ihn mehr als einmal gerettet, und er hatte sich revanchiert. Und doch hatte das alles nichts genützt.
    Dumariels Hass ebbte nicht ab, und die Kräfte waren gleich verteilt – es konnte keinen Sieger und keinen Verlierer geben. Doch der Himmel drohte unter dem andauernden Krieg auseinanderzubrechen. Dumariel verlor völlig den Verstand. Er drohte sogar damit, Gottes Macht anzuzweifeln.
    Luzifer, der ewigen Kämpfe müde, konnte das nicht zulassen. Caes erinnerte sich nur zu gut, an die herabhängenden Schultern und die Müdigkeit in ihrem Gesicht. Sie hatten sich lange beraten, was sie tun sollten, aber schlussendlich hatte Luzifers Entscheidung von vornherein festgestanden, und niemand von ihren Verbündeten hatte es überrascht. Luzifer gab den Kampf aus Liebe zu ihrem Schöpfer auf. Sie ging freiwillig ins Exil mitsamt ihren Geschöpfen und überließ den Himmel den Engeln. Sie wollte ihren Vater schützen und hoffte, Dumariel mit ihrem Rückzug zu besänftigen.
    Fast alle Verbündete folgten ihr. Einige aus Liebe und Loyalität zu ihr. Caes folgte Lexa. Sie war eine Dämonin, und ihre neue Heimat würde die Hölle werden. Also würde auch Caes in die Hölle gehen.
    Was keiner von ihnen geahnt hatte, war, dass die Entfernung zum Himmel die Boten verändern würde. Caes bemerkte es erst nach und nach – die Hölle machte etwas anderes aus ihm. Seine Flügel hatte er, anders als Luzifer, nicht verloren, doch die Federn verschwanden, schmolzen zu schwarzen Lederhäuten. Und der Hunger kam. Er lag bei Lexa, und sie gab ihm Trost in jeder Nacht, die er in ihren Armen verbrachte, aber es linderte den Hunger nicht. Er brauchte etwas anderes.
    ›Caes!‹
    Cales Stimme drang schneidend in Caes’ Bewusstsein und brach die Erinnerung. ›Konzentrier dich gefälligst – was soll ich tun?‹
    Caes hatte tatsächlich Mühe, sich zu konzentrieren. Irgendetwas an dem Mantichor machte es ihm schwer, sich auf das Wesen vor ihm zu fokussieren. Er wusste, dass es scheußlich aussah, doch hätte man ihn nach Einzelheiten gefragt, hätte er nicht sagen können, was es war.
    Caes knurrte und übernahm Cales Augen, bevor sein Wirt protestieren konnte. Menschliche Augen sahen die Dinge anders, und der Mantichor hatte sich nur gegen seinesgleichen getarnt.
    Vor ihnen stand ein Mann, untersetzt und mit einem unnatürlich breiten, bulligen Schädel. Farbloses Haar hing ihm strähnig bis über die Schultern, und er schien sich mit Absicht zu ducken. Sein Mund war seltsam groß – er war zu einem breiten Grinsen verzogen, das unnatürlich lang war. Es reichte fast um den halben Schädel.
    Doch hinter dem Mann … Caes kniff Cales Augen zusammen, um es besser erkennen zu können. Hinter dem Mann

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