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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Hunter
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Armen, doch der hielt sie unerbittlich fest, um sie zu schützen.
    Klauen griffen in Zoes Haar, rissen an ihren Armen und Beinen und dem Laken, das sie bedeckte. Sie schrie, machte sich endgültig von Desmond los und rannte blindlings auf Dumas und den offenen Spalt zu.
    »Dumas!«, schrie sie und konnte für einen kurzen Moment die Aufmerksamkeit des Engels auf sich ziehen. Er wandte ihr überrascht den Kopf zu, und Zoe sprang, stieß sich so kräftig wie möglich ab und umklammerte Dumas’ Hals. Ihr Schwung riss sie beide zu Boden, und für einen Moment schien der Sturm der Verdammten schwächer zu werden. Aus den Augenwinkeln konnte Zoe sehen, dass Luzifer und Uriel sich noch immer gegen die Angreifer zur Wehr setzten, doch diesmal hatten ihre Attacken eine viel größere Wirkung.
    Zoe hockte rittlings auf Dumas’ Brust, der sich bereits von seinem Schrecken erholte und Anstalten machte, Zoe von sich herunterzustoßen. Doch die hielt sich an ihm fest und sah ihm in die Augen. Sie hatte nur für zehn Sekunden in den Geist eines der ältesten Wesen aller Zeiten gesehen. Und doch hatte das gereicht. »Dumariel«, sagte sie und zwang ihn, sie anzusehen.
    »Runter von mir, du fleischliche Puppe.« Der Engel geiferte nun schon fast und alles, was Zoe erkennen konnte, waren Wahnsinn und grenzenloser Hass.
    »Dumariel«, wiederholte Zoe. »Dumariel, was hast du getan? Du wolltest den Thron, der dir nicht zusteht. Du hast den Himmel beschmutzt und die Hölle in deinen Wahnsinn gestürzt. Und wofür? Hörst du Ihn wieder?«
    Sie beugte sich vor, ihre Augen mit seinen verschränkt. »Das ist es doch, nicht wahr? Das ist es, was du willst, was du über all die Jahrhunderte erzwingen wolltest. Er spricht nicht mehr zu dir.«
    Dumariels Gesicht versteinerte augenblicklich und er starrte Zoe an. »Wann geschah es?«, fragte sie sanft. »Wann hörte Er auf, mit dir zu sprechen?«
    »Als sie verschwand.« Die Stimme des Engels war so brüchig und leise, dass Zoe sie über dem Brüllen des Seelensturms kaum verstand. »Als wer verschwand?«, fragte sie leise nach.
    »Sie – seine liebste Schöpfung, ehe Er die Menschen erschuf. So strafte er mich. Ich kann ihn nicht mehr hören. Seitdem kein einziges Mal.«
    Dumariel schloss die Augen für einen Moment. Zoe schluckte. Mit einem Mal wurde sie von dem Engel heruntergestoßen. Er brüllte auf und Zoe sah, wie Luzifer ihre Finger in seine Brust stieß. Blut schoss hervor wie eine Fontäne, und Dumariels Heulen vermischte sich mit dem des Sturms.
    »Ich bin eure Herrin«, rief Luzifer, und trotz all des Lärms, trotz der Schmerzensschreie des Engels konnte Zoe jedes einzelne Wort verstehen. »Ich bin die Fürstin der Hölle und ich werde jeden, der mir diesen Anspruch streitig macht, ins Verderben stürzen. Seht genau her.«
    Scheinbar mühelos hob sie den Körper des sich windenden Engels auf und schleuderte ihn in den Spalt, mitten hinein in den Sturm der verdammten Seelen.
    Sie kreischten, schwangen sich zur Decke des Saals hinauf und stürzten sich dann mit einem ohrenbetäubenden Knall in das offene Tor zur Hölle.
    Zoe presste die Hände auf die Ohren, bis der Lärm verebbte. Als sie sich aufrichtete, blickte sie genau in Luzifers Gesicht. In ihren Augen las sie Einsamkeit, Trauer und brodelnden Zorn. »Eine Hexe?«, sagte der ehemalige Engel so leise, dass nur Zoe sie hören konnte. Luzifer nahm all ihre Sinne ein – es gab nur noch die kalte, sanfte Stimme Morgensterns, ihr Gesicht. »Euch gibt es noch?«
    »Ich bin keine Hexe«, flüsterte Zoe, gelähmt unter dem Blick dieser uralten Augen.
    »Du trägst Hexenblut in dir. Du gehörst weder in die himmlische Ordnung noch in das Chaos der Hölle. Und dabei dachte ich, die Zeit hätte euch schon längst ausgerottet.«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, erwiderte Zoe.
    Luzifer beugte sich vor und flüsterte in Zoes Ohr: »Ich weiß, was du gesehen hast, Hexe. Du sahst, was niemand sehen durfte. Und ich verspreche dir, dass ich mich immer daran erinnern werde, dass du dieses Wissen an dich genommen hast.«
    Zoe durchfuhr ein eisiger Schauer. Sie hatte durch ihre verfluchte Gabe etwas gesehen, was sie nicht hatte sehen sollen, und nun hatte sie sich einen Feind gemacht, der niemals vergessen würde. Niemals, bis zum Ende der Zeit.
    Luzifer lächelte unheilvoll, erhob sich dann aber und wandte sich um. Zoe spürte, wie die Lähmung aus ihrem Körper verschwand, und sie stand hastig auf. Ihr Blick fiel auf Cale, der noch

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