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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Hunter
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ihre Flügel zu treiben, ist es zu viel. Sie versucht, nicht zu schreien, um es ihm nicht schwerer zu machen, aber als die Flammen sich tiefer fressen, Knochen, Haut und Sehnen erfassen, erträgt sie es nicht mehr und schreit.
    Er gibt keinen Laut von sich, doch während ihre Flügel verbrennen, hält er ihre Hand, und sie ist unendlich dankbar dafür. Der Druck lässt nicht nach, bis Federn und Knochen zu Asche verbrannt sind und nur noch der verbrannte Gestank in der Luft und die Asche auf dem Boden davon zeugen, dass hier einmal ein Engel stand. Jetzt ist sie etwas anderes, und es ist an ihr, herauszufinden, was.
    Sie hebt seine Hand an ihre Lippen und küsst den Handrücken. »Ich danke dir, mein Freund«, sagt sie. »Lebe wohl.«
    Er will etwas sagen, aber sieschüttelt den Kopf und lässt seine Hand los. Auf diesem letzten Schritt darf er sie nicht begleiten; auch wenn sie es sich wünscht, kann sie es ihm nicht antun. Von diesen vielen ist er der Einzige, dem sie es nicht antun kann. Ohne einen Blick zurück geht sie auf den Abgrund zu. Sie sieht die Schwärze vor sich. Diese zieht sie regelrecht an wie ein Sog, und das Klagen wird lauter, es hallt in ihren Ohren wider. Alles in ihr brüllt danach, wieder umzukehren. Sie hat Angst, sie will weg, aber es war nie ihre Art, wegzulaufen. Sie stellte sich den Dingen.
    Ihre Schritte werden schneller, und als sie den Rand der klaffenden Dunkelheit sieht, stößt sie sich kraftvoll ab, fliegt für einen Moment frei über allem, als würde sie noch immer von Flügeln getragen, doch da sind keine Flügel mehr, dort ist nichts mehr, und sie nähert sich dem höchsten Punkt ihrer Flugbahn, bis sie schließlich …
    … fällt.
    Die Vision wurde brüchiger, zerrann vor ihren Augen, und sie fand sich auf dem Boden der Vorhalle wieder. Die Kälte war zurückgekehrt, und Zoe fragte sich, wer ihren »Ausfall« mitbekommen hatte.
    Offensichtlich hatte es aber niemand bemerkt. Um Zoe herum war das Chaos ausgebrochen – Dumas hatte sich aus Uriels Umklammerung befreit und stand nun vor einem klaffenden Spalt in der Wand. Er hatte die Arme ausgebreitet und schrie laut unverständliche Worte gegen einen Sturm, der mit lautem Heulen aus dem Spalt drang und einen Gestank von Verwesung und Fäulnis mit sich brachte. Dumas’ Stimme wurde lauter, und aus dem Spalt drangen nun nicht nur Geräusche, sondern auch Schemen, fetzenhafte Gestalten, bei denen Zoes Augen sich weigerten, Genaueres auszumachen.
    Der Engel drehte sich zu ihnen um. Luzifer und Uriel standen wie gebannt vor dem geöffneten Spalt und Dumas, zu dessen Füßen Cale lag und sich nicht rührte. Der Hüne hing noch immer in der Luft, aber das war nichts, was Zoe kümmerte. Seit sie Cales Körper entdeckt hatte, konnte sie nur noch daran denken, zu ihm zu kommen.
    »Nein«, sagte Desmond in diesem Moment in ihr Ohr, und seine Hand hielt sie zurück. »Geh nicht in die Nähe des Höllentores. Du bist nur ein Mensch – die Kräfte, die Dumas entfesselt hat, könnten dich einfach so zerreißen.«
    »Aber ich kann Cale nicht dort liegen lassen!«
    Der Vampir schüttelte den Kopf. »Du kannst ihm nicht helfen, wenn deine Seele in tausend Teile zerfetzt wird. Siehst du, nicht einmal Uriel und Luzifer trauen sich an das Tor heran – Dumas hat mehr getan, als es nur aufzustoßen. Er hat die Seelen der Verdammten entfesselt. Sie sind das einzig Böse, was in den Tiefen der Hölle lauert, und sie sind gefährlich genug, dass sie selbst einem Erzengel gefährlich werden könnten.«
    »Und was ist mit Luzifer? Ich dachte, sie ist die Königin der Hölle?«
    Desmond schüttelte den Kopf. »Sie war zu lange fort, und Neil hat unter Dumas’ Leitung die Bewohner der Hölle gegen sie aufgehetzt. Ich habe zu spät bemerkt, was die beiden wirklich vorhatten, und jetzt ist es zu spät.«
    Sein Blick lag auf dem heulenden Sturm aus verdammten Seelen, die sich zu orientieren schienen, bis sie schließlich Luzifer entdeckten. Wie ein Vogelschwarm stürzten sie sich in einer einzigen fließenden Bewegung auf die Fürstin der Hölle und den Erzengel.
    Licht blitzte auf und verbrannte den ersten Ansturm der Seelen, doch für jede verbrannte erschienen zwei weitere Seelen aus dem Spalt im Fels.
    Desmond zog Zoe an sich, um sie zu schützen, als die ersten Verdammten nun auch auf sie aufmerksam wurden. Dumas stand noch immer vor dem Spalt und brüllte triumphierend – Zoe hatte Cale völlig aus den Augen verloren. Sie wand sich in Desmonds

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