Die Schattensurfer (German Edition)
vibrierten. Der Zwirn, der sie hielt, sirrte wie eine gespannte Gitarrensaite.
„Schmecken die Blaubeerpfannkuchen, Luan?“, fragte der Mann.
Luan erschrak. Woher kannte der Mann seinen Namen? Er hatte ihn bestimmt nicht zufällig herausgeschmuggelt. Vielleicht war er vom Geheimdienst oder Detektiv und suchte ihn im Auftrag von Mama Berta? Unsicher stopfte Luan ein großes Stück Pfannkuchen in den Mund. Luan wollte Zeit gewinnen, abwarten, was der Mann von ihm wollte. Luan nickte und murmelte etwas wie: „Mmhhm.“
Der Mann griff in die Innentasche seines Sakkos und zog eine Tube Senf heraus, extra scharf. In aller Ruhe schraubte er die rote Kappe ab. Er presste ein wenig Senf heraus und hielt die Tube seiner Ratte hin. „Feines Fresserchen, Rüdiger“, murmelte er, als wäre es das Normalste auf der Welt. Die Ratte mit der Irokesenfrisur stürzte sich auf den Senf und mümmelte an der Tube.
Mit dem roten Senfdeckel in der Hand deutete der Mann auf Luans Handgelenk und meinte: „Cooles Teil.“
Schon wieder ging es um sein ceeBand. Trotzig erklärte Luan: „Das hab ich nicht gestohlen. Ganz bestimmt nicht. Ich habe das ceeBand selbst gebaut. Ich kann so etwas, das müssen Sie mir glauben!“ Blaubeermarmelade lief Luan über das Kinn.
Beschwichtigend hob der Mann die Hände. Die Ratte quiekte. Sie kam nicht mehr an den Senf heran.
„Hatte mir schon so etwas gedacht“, murmelte der Mann und hielt Rüdiger die Tube wieder vor die Schnauze. „Aber du hast Angst, dass die Sipos dir nicht glauben?“, fragte er und zog dabei die Augenbrauen so komisch hoch.
„Weiß nicht, was die von mir wollten. Ich habe das ceeBand wirklich nicht geklaut. Die Mädchen haben mich angeschwärzt. Die mit dem weißen Kristall und ihre Freundin mit den lila Haaren“, sagte Luan. Er fühlte sich unsicher. Hatte er schon zu viel gesagt? Wer war dieser Mann?
Der Mann legte die Senftube auf den Tisch, direkt neben Luans Pfannkuchenteller. Die Ratte huschte über den Ärmeln des lila Samtanzugs hinunter und hockte sich zwischen Pfannkuchen und Senf.
Unauffällig schob Luan seinen Pfannkuchenteller zur Seite.
„Brauchst dir keine Sorgen zu machen, Rüdiger mag keine Pfannkuchen“, sagte der Mann und zog seinen dünnen Pferdeschwanz zurecht.
„Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Kalawesi“, sagte der Mann und lachte dröhnend, als wäre ihm ein besonders guter Witz gelungen.
Luan nahm den letzten Blaubeerpfannkuchen vom Teller und biss ab.
„Hast wohl ganz schön Schiss vor den Sipos, dass du einfach mitkommst. Du kennst mich überhaupt nicht. Ich könnte ein Verbrecher sein. Lungern viele hier herum“, sagte Kalawesi und sah Luan scharf an. Kalawesi stand auf und ging um Luan herum, blieb hinter ihm stehen. Er legte seine Hände auf die Sofalehne. Aus den Augenwinkeln sah Luan Kalawesis behaarte Finger.
„Die beiden Mädchen wollten mich drankriegen“, versuchte sich Luan zu verteidigen.
Ich habe gesehen, wie du den Berg umprogrammiert hast“, sagte Kalawesi lauernd.
Luan biss sich auf die Lippe. Die Blaubeermarmelade auf dem Kinn sah nach Blut aus. Seine Finger trieften vor Fett. Wie konnte Kalawesi das gesehen haben?
„Weißt du, ich bin der Boss vom Lunapark“, sagte Kalawesi sanft. „Mir gehört der Park. Der Golden Surfer ist meine neueste Attraktion. Die Leute lieben ihn, sind ganz verrückt auf den weißen Berg. Meine besten Programmierer haben ihn über Jahre entwickelt, und du spazierst einfach herein und fummelst in dem erstklassig abgesicherten Programm herum. Was bist du für ein Junge?“ Nun wurde Kalawesi immer lauter. Er ging um Luan herum und drückte seinen dicken Zeigefinger auf Luans Brust.
Luan versuchte auszuweichen und schob sich zur Seite. Er schluckte. Der Bissen wollte nicht hinunter. Luan musste husten. Kalawesi patschte ihm seine Hand so fest auf den Rücken, dass er den Pfannkuchen wieder auf den Teller spuckte. Luans Rücken fühlte sich an, als hätte ihn ein Pferd getreten.
„Aber…“, hustete Luan unsicher.
„Nichts aber. Ich dulde keinen Widerspruch“, dröhnte Kalawesi. „Du bist ein verdammter Teufelskerl. Nur keine falsche Bescheidenheit. Ich brauche solche Programmierer wie dich. Hier im Lunapark. Jetzt.“ Dabei donnerte Kalawesi mit der Faust auf den Tisch. Er traf die Senftube und eine große Senfwurst spritzte durch das Zimmer. Rüdiger quiekte aufgeregt und begann den Senf vom Tisch zu lecken.
Luan verstand nicht. Der Chef des
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