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Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
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geschorene Vollbart war grau meliert. Luan ließ sich aus der Menge ziehen, folgte dem Mann im Samtanzug. Dieser führte Luan zu dem riesigen Bildschirm zwischen den Verkaufsbuden und dem Ausgang. Ein Snowboarder zeigte in einem Film sein Können. Er jagte einen höllischen Abhang hinunter. „Dank Metagie bin ich fit wie nie“, erklärte der Snowboarder in dem Werbefilm. „Metagie der Müsliriegel für Sportler.“
    Der Mann im Samtanzug klappte ein Stück des Bildschirmsockels zur Seite. Nur für Wartungsarbeiten stand darauf. Ein enger Gang mit Notbeleuchtung öffnete sich hinter der quadratischen Klappe. Luan sah nicht, wohin der Gang führte. Wer war dieser Mann? Was wollte er von ihm?
    Ohne ein Wort zu sagen, deutete der Mann auf den Gang. Luan sollte hineinklettern. Er zögerte. Er hatte Angst.
    Der Mann im lila Samtanzug brummte: „Dort drinnen wirst du keinen Sipo treffen.“
    Woher wusste der Mann, dass Luan sich vor den Sipos fürchtete? Warum wollte er ihm helfen? Egal! Luan quetschte sich durch die Wartungsklappe. Ob der Mann im Samtanzug da überhaupt hineinpassen würde? Er versuchte es nicht einmal und drückte die Klappe hinter Luan zu. Das Schloss schnappte ein.
    „Wir sehen uns dann bei mir“, hörte er den Mann noch murmeln. Aber wo, das verstand Luan nicht mehr.
    Hitze kroch durch den Wartungsgang. Es stank nach Bersol. Große Motoren stampften wie eine Armee. Hier unten lagen die Steuermotoren des Golden Surfers. Luan folgte dem Gang. Metallgitter klapperten unter seinen Schritten. Eine Notbeleuchtung tauchte den Gang in mattgrünes Licht. Wie Riesenschlangen zogen sich Kabel unter dem Bodengitter hindurch. Es wurde immer heißer und enger. Luan konnte nicht mehr stehen. Auf allen vieren musste er jetzt kriechen. Das Muster des Gitters drückte sich in seine Handflächen. Seine Knie taten weh. Das Metallrost wand sich in Kurven und Wellen durch den Untergrund. Es hatte ihm Kerben wie Brandzeichen eingedrückt. Luan wollte raus hier. Es kam ihm vor, als würde er im Kreis kriechen. Alles sah gleich aus. Aber Luan hatte keine Wahl. Nicht einmal sein ceeBand konnte ihm die genaue Position anzeigen. Hier unten hatte er keine Verbindung.
    Nach einer halben Ewigkeit stieß er auf eine Treppe, die hinaufführte. Sie mündete in einen Gang, in dem er endlich wieder aufrecht gehen konnte. Bald wurde es heller. Dort vorne beleuchteten Lampen eine silbern polierte Tür. Als Luan auf sie zuging, glitt die Tür wie von Geisterhand auf. Luan trat ein.
    Seine Füße sanken in einen weißen Flauschteppich. Luan stand in einem riesigen Wohnzimmer. Es war das altmodischste Wohnzimmer, das Luan jemals gesehen hatte. Der Esstisch schwebte nicht, sondern stand auf vier Beinen. Das orangefarbene Knautschsofa bestand noch aus echten Polstern, nicht aus virtuellem Sitzschaum. Und statt eines Hologramm-Projektors hing ein uralter Flachbildfernseher an der Wand. Museumsreife Lampen mit Glühbirnen tunkten das Wohnzimmer in ein zugegebenermaßen gemütliches Licht, fand Luan. Das Seltsamste aber waren die Autoscooter, die im Raum verteilt herumstanden. Luan hatte keine Ahnung, wo er war.
    Da wurde eine Tür mit Schwung aufgerissen. Der Mann im lila Samtanzug trat ein. Nervös strich sich Luan die Haare aus der Stirn.
    In der Hand hielt der Mann ein Marmortablett, darauf stand ein Teller, über und über beladen mit Blaubeerpfannkuchen. Sie dufteten köstlich. Auf der linken Schulter des Mannes saß eine Ratte. Die Ratte hatte eine rot gefärbte Irokesenfrisur. Misstrauisch äugte sie auf Luan herab.
    „Setz dich, mein Junge, setz dich“, brummte der Mann und deutete auf das Sofa.
    „Du magst sicher noch ein paar von den Dingern“, sagte er und stellte den Teller mit mindestens einem Dutzend Blaubeerpfannkuchen auf den kleinen Couchtisch, der in dem flauschigen Teppich zu versinken schien.
    Das ließ sich Luan nicht zweimal sagen. Wer Blaubeerpfannkuchen verschenkte, konnte kein schlechter Mensch sein. Luan ließ sich auf das Sofa fallen und fischte nach einem Pfannkuchen.
    „Der Weg durch den Wartungsschacht ist vielleicht ein bisschen eng, aber immer noch komfortabler als das Gedränge am Hauptausgang. Zurzeit kontrollieren die Sipos jeden, der hinaus möchte. Sie suchen irgendjemanden. Früher habe ich auch immer den Weg durch den Wartungsschacht genommen. Aber mittlerweile habe ich wohl ein paar Kilo zu viel auf den Rippen.“ Der Mann schüttelte sich und lachte. Die Knöpfe seines goldenen Hemdes

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