Die Schattensurfer (German Edition)
Sansibar. Ihr lief es immer noch kalt den Rücken hinunter. Sie klammerte sich an ihrer Freundin fest. „Und wegen der Mauer frage ich Doktor Tornham. Er kennt sie bestimmt und weiß, warum sie verboten ist und warum mein TwaddleBand hier keinen Empfang hat.“
Marella bog in den Weg bei der verlassenen Tankstelle. Er war kaum größer als der Südliche Kallweg. Kein Mensch weit und breit. Sansibar musste allem möglichen Schrott ausweichen. Sie fuhr langsamer.
Plötzlich donnerte es. Ein Blechgewitter krachte durch die Häuserschlucht. Tonnen schossen aus einer Lagerhalle heraus, direkt auf die Mädchen zu. Die Lawine prasselte über den Teer. Krachend stießen Tonnen zusammen, kickten einander wie Billardkugeln quer über die Straße und verkeilten sich.
Marella trat auf die Bremse. Der Scooter quietschte. Sansibar wurde nach vorne geworfen. Marella riss den Lenker herum. Der Scooter schleuderte. Eine Tonne raste direkt auf sie zu. Sansibar wollte schreien. Sie wollte abspringen. Doch ihre Beine gehorchten nicht. Steif wie ein Brett saß sie auf dem Scooter und starrte den Blechkoloss an. Die Tonne raste auf sie zu. Sansibar schloss die Augen.
Da hörte Sansibar einen ohrenbetäubenden Schlag. Metall auf Metall. Stahl auf Stahl. Der Koloss musste den Scooter getroffen haben. Vorsichtig blinzelte sie.
Friedlich wie eine verbeulte Keksdose lag der Blechkoloss vor ihnen. So groß war die Tonne eigentlich gar nicht. Nicht größer als ein Eimer. Etzingers feines Sauerkraut stand darauf. Ein zweiter Blecheimer mit Sauerkraut hatte sich in dessen Seite gebohrt und die Mädchen vor dem Zusammenstoß bewahrt. Der Deckel war aufgeplatzt. Sauerkrautschwaden erstickten jeden weiteren Geruch. Ekelhaft.
Sansibar hielt sich die Nase zu. Sie musste husten. „Schnell, lass uns verschwinden. Ich muss nach Hause“, drängelte Sansibar. Ein Blick auf ihr TwaddleBand zeigte: Immer noch kein Empfang.
„Psst“, machte Marella, „Neben der Lagerhalle steht jemand. Wenn das die Eindringlinge sind, bekomme ich ein paar Tausend Punkte. Lass uns nachsehen.“
„Spinnst du?“, rief Sansibar so laut, dass es jeder im Umkreis von hundert Metern hören musste.
„Wir müssen zumindest die Sipos informieren“, zischte Marella.
„Dann mach das bitte mit deinem Kristall. Mein TwaddleBand hat nicht den geringsten Empfang. Zeigt mir nur die Uhrzeit an, das blöde Ding.“
Marella schüttelte den Kopf. „Mein Kristall bekommt auch keine Verbindung.“
Plötzlich riss Marella ihre Hand zur Seite und schlug dabei gegen Sansibars Nase. Mit dem Zeigefinger fuchtelte sie in Richtung der Lagerhalle. „Schau“, zischte Marella aufgeregt, „dort drüben stehen sie. Ich wette, das sind die Eindringlinge.“
Ganz deutlich lösten sich zwei Schatten aus der schwarzen Einfahrt. Aber das waren keine Erwachsene, weder Sipos noch Eindringlinge. Das waren zwei Jugendliche, wahrscheinlich nicht älter als Sansibar. Der eine sah schlaksig aus mit abstehenden Haaren. Der andere war kräftiger, aber auch nicht größer. Beide schienen über dem Boden zu schweben.
Als hätte sie völlig den Verstand verloren, sprang Marella vom Scooter und rannte auf die beiden Schatten zu. „Halt stehen bleiben! Im Namen von RUHL“, rief sie und schwang dabei ihr nasses Badehandtuch wie ein Peitsche.
Die beiden Schatten glitten auseinander. Einer verschwand in der Lagerhalle, der Schlaksige hinter dem Haus. Irgendwie kamen seine Bewegungen Sansibar bekannt vor, als hätte sie ihn schon einmal gesehen: lässig in den Knien wippend und die Arme ein wenig angewinkelt. Wie ein Scherenschnitt hob sich sein schwarzer Umriss für einen Augenblick vom dunklen Nachthimmel ab, dann war er hinter dem Haus verschwunden.
„Den übernimmst du!“, rief Marella bevor sie in die Halle rannte und dem anderen folgte. Sansibar hörte noch mehr Blecheimer umstürzen. Marella schimpfte. Sie keuchte, als würde sie eine Treppe hinaufhetzen, bis sich das Geräusch verlor.
Sansibar klammerte sich am Scooter fest. Angst kroch ihr über den Rücken. Plötzlich war es so still. Kein Hasten mehr, kein Poltern, kein Schnaufen, nur Stille, diese Stille. Was war mit Marella passiert? Sansibar musste helfen.
Ängstlich schwang sie ihr Bein über die Sitzbank und stieg ab. Mit Puddingknien ging sie auf die Lagerhalle zu, ganz langsam. Die blauschwarze Nacht schien alles zu verschlucken. Sansibar sah nicht, wohin sie trat. Wie ein Gong schlug sie gegen einen leeren Eimer. Sansibar
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