Die Schattensurfer (German Edition)
zischte Pablo mit heiserer Stimme.
Luan zuckte. Fast auf der Stelle drehte er sein Skateboard in eine Einfahrt. Kies spritzte. Ein riesiges Blechschild hing dort abgerissen herab. Parkhaus, 1 Stunde nur 120 Euro, stand darauf zu lesen.
Beim Versuch, Luan zu folgen, raste der brüllende Lautsprecher gegen das Blechschild und fiel wie eine Fliege ab. Als letzte Worte murmelte der Lautsprecher: „Was? So billig.“
Pablo deutete auf die Rampe. „Komm! Wir verstecken uns im Parkhaus.“
Luan folgte seinem Freund. Wie in einem Korkenzieher rasten sie die Auffahrt hinauf. Stockwerk für Stockwerk schraubten sie sich in die Höhe.
Für den Moment hatten sie die Verfolger abgeschüttelt. Die Sipo-Sirenen waren verstummt. Sie jagten immer weiter hinauf. Schließlich spuckte der Korkenzieher die Jungs auf dem Dach des Parkhauses aus. In Luans Kopf drehte sich alles. Sein Magen fühlte sich nach Wäscheschleuder an. Ihm war hundeübel. Sie standen in schwindelerregender Höhe auf dem Dach. „Haben wir sie abgeschüttelt?“, fragte er.
Pablo packte ihn am Arm. „Psst.“ Luan hielt den Atem an. Er lauschte. Kam da jemand? Alles blieb still. Hatten die Sipos wirklich ihre Spur verloren?
„Wir springen mit unseren Skateboards auf das nächste Hausdach hinüber“, sagte Pablo.
„Spinnst, du? Wir sind im fünften Stock. Das schaffen wir niemals.“
„Du bist gerade über die Dunkle Mauer gefahren. Das hier ist bestimmt nicht schwieriger.“ Pablo stieß sich ab. Schon glitt er über die Dachkante ins schwarze Nichts. Für einen Moment verschwand Pablo. Dann landete er auf dem gegenüberliegenden Dach.
Vorsichtig spähte Luan hinunter. Ihm wurde ganz schwindelig, als er unten im Hof Mülltonnen klein wie Hosenknöpfe sah. Er fühlte sich allein gelassen. Pablo ruderte mit seinen Armen, als wären es Windmühlenflügel. Er winkte Luan zu kommen.
Wie gelähmt stand Luan auf seinem Skateboard. Der kleine Bersolmotor tuckerte unbeeindruckt, so als würde er gleich von selbst losfahren, wenn Luan sich nicht entschied.
Da quäkte eine blecherne Stimme aus dem Inneren des Parkhauses: „Waffe fallen lassen. Was, so billig?“
Immer lauter hallte die Blechstimme aus dem Parkhaus und schraubte sich nach oben. Die Sirenen der Sipo-Scooter heulten wieder auf.
Luans linker Fuß zuckte. Er hob ihn an und in dem Moment, als er den Boden berührte, heulte der Bersolmotor auf. Das Skateboard schoss los. Luan jagte auf dem dünnen Brett über die Dachkante hinaus in die Nacht. Er kniff die Augen zusammen. Nein, er wollte nicht sehen, wie er in die Tiefe stürzte.
Das Skateboard schlug hart auf. Luan konnte sich kaum auf dem Board halten. Da bekam er etwas Weiches zu fassen. Er griff ganz fest zu, hielt sich daran fest.
„He, nicht so stürmisch“, meinte Pablo.
Luan blinzelte, zuerst mit einem Auge, dann öffnete er das zweite. Er hing an Pablos Arm wie an einer rettenden Liane. Luan atmete auf.
„Ganz schön cool, dieser Flug“, grinste Pablo.
„Na ja“, stotterte Luan. Seine Knie zitterten.
„Komm schon, wir müssen weiter“, drängelte Pablo. Er stieß sich ab und schoss mit seinem Skateboard über den nächsten Abgrund und dann über noch einen. Mit jedem Sprung gewann Luan mehr Vertrauen in die fliegenden Bretter und allmählich machte es richtig Spaß.
Der blecherne Lautsprecher quäkte in weiter Ferne kaum noch hörbar: „Was, so billig?“
„Ich denke, wir haben sie abgeschüttelt“, meinte Pablo. „Wir verstecken uns hier in diesem Haus.“
Über eine kleine Leiter kletterten sie ins Innere.
„Igitt, hier stinkt es nach Sauerkraut“, stöhnte Luan. „Ist ja widerlich.“
Alles roch nach Sauerkraut. Sogar die Wände schienen Sauerkraut auszudünsten und vom Boden stiegen Sauerkrautschwaden auf. Riesige Holzbottiche standen überall herum.
„Kein Wunder“, meinte Pablo und zeigte auf eine Wand. Hoch bis zur Decke waren Konservendosen aufgestapelt. Jede trug das gleiche Etikett: Etzingers feines Sauerkraut. Und darunter stand in verschnörkelten Buchstaben: Sauer macht lustig.
„Wir sind in einer Sauerkrautfabrik gelandet“, kicherte Pablo.
„Nichts wie raus. Ich bin allergisch gegen Sauerkraut.“ Luan presste sich die Hand auf die Nase. Er flüchtete ins Treppenhaus und jagte das Skateboard die Treppe hinunter. Stockwerk für Stockwerk. Ganz flach atmete er durch den Mund. Er gab dem Sauerkraut keine zweite Chance, in seine Nase zu kriechen. Im Erdgeschoß stürzte er nach draußen. Als
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