Die Schattensurfer (German Edition)
zuckte. Sie wartete, bis das vibrierende Blech aufgehört hatte zu schwingen. Jetzt stand sie direkt vor der Lagerhalle. Plötzlich hörte sie ein dumpfes Geräusch, als würde ein Sandsack auf den Boden schlagen. Und dann schrie jemand auf. Nur einmal, aber sie konnte seine Schmerzen fast spüren.
Sansibar zwang sich, an der Hauswand entlangzuschleichen. Der graue Beton fühlte sich warm an. Sie roch noch die Sommersonne.
Sansibar ertastete den Weg mit Zehenspitzen. Es war total bescheuert, was sie hier tat. Warum musste Marella unbedingt Sipo spielen, nur wegen ihrem Kristall? Sansibar beschloss umzudrehen und vorne beim Scooter zu warten. Da hörte sie ein ersticktes Stöhnen, eine Jungenstimme.
Nein, das klang nicht nach gefährlichem Verbrecher.
Die schattenschwarzen Umrisse der Gebäude schienen vor dem Nachthimmel wie ausgestanzt. Ein Lastwagen stand im Hof. Seine goldene Aufschrift glitzerte im Sternenlicht: Etzingers feines Sauerkraut. Sansibar schüttelte sich unwillkürlich. Ekelfeines Sauerkraut, schoss es ihr durch den Kopf. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es auch nur einen einzigen Menschen gab, der freiwillig Sauerkraut aß. Dort drüben gleich neben dem Lastwagen bewegte sich etwas oder jemand oder täuschte sie sich? Aus dem Inneren des Gebäudes wehten dumpfe Sauerkrautschwaden.
14 DER AUSFLUG
Mit zwei Flaschen Cola hielt sich Luan wach. Er wartete noch zwei Stunden bis die anderen bestimmt eingeschlafen waren. Erst dann verließ er sein Zimmer. Der Gang war dunkel. Aus keinem Raum blitzte noch ein Lichtspalt nach draußen.
Luan schlich in den Gemeinschaftsraum und schnappte sich das neueste Skateboard, mit Bersolantrieb und dem eingebauten Sprungkraft-Controller.
Auf Zehenspitzen tappte er durch den Gang zum Aufzug. Es war stockfinster. Seine Finger schwitzten vor Aufregung. Luan tastete nach dem Aufzugsknopf. Doch seine Finger trafen auf etwas Weiches, nicht den glatten runden Knopf, der von einer Feder gebremst nachgab. Luan zuckte zurück.
„Halt! Wer ist da?“, rief Pablo. Im nächsten Augenblick sprang das Licht an. Luan hatte auf Pablos Bauch gedrückt.
„Du?“, fragte Pablo verwundert. „Ich dachte, es wären Einbrecher. Vielleicht jemand von einem anderen Team, der uns ausspionieren will.“
Luan stotterte: „Ich, ich konnte nicht schlafen. Das Skateboard lässt mir keine Ruhe. Ich wollte es noch einmal testen. Ich meine, das nützt doch allen …“
Pablo sah Luan an.
Luan schwitzte. Eigentlich wollte er Pablo nicht anschwindeln.
Pablos Blick wich keinen Millimeter von Luan. Luan schluckte. Er zögerte einen Augenblick. Dann sagte er: „Ich möchte mit dem Skateboard nach Mallinport fahren.“
„Nach Mallinport?“, fragte Pablo ungläubig.
Luan nickte. „Emil meinte, die Sakteboards schaffen 20 Meter Höhe. Das müsste ausreichen, um die Dunkle Mauer zu überwinden.“
„Und warum fragst du nicht, ob ich mitkommen will?“, zischte ihn Pablo ärgerlich an.
„Willst du wirklich?“, fragte Luan und dachte: Was bin ich nur für ein Idiot?
Pablo ließ Luan einfach stehen und ging in den Gemeinschaftsraum. Mit dem zweiten Skateboard unter dem Arm kam er zurück.
Die warme Nachtluft im Hof roch nach Abenteuer.
„Auf nach Mallinport“, zischte Luan und sprang auf das schwebende Skateboard.
Die beiden rasten durch die verfallenen Straßen der Schattenstadt. In einem wilden Slalom hielt Luan auf Hindernisse zu. Erst im allerletzten Moment drückte er mit dem Fuß auf das hintere Ende des Skateboards und riss den vorderen Fuß hoch. Das Skateboard schoss in einem Sprung über das Hindernis. Keine Tonne war zu hoch, kein Autowrack zu lang.
Pablo steuerte direkt auf eine Hauswand zu. Es sah aus, als wollte er sie rammen. Luan erschrak „Pass auf!“, schrie er.
Aber Pablo lachte nur. Er kippte das Skateboard bei voller Fahrt lässig zur Seite und dann, als wäre es das Einfachste der Welt, raste er die Hauswand hinauf bis in den ersten Stock. Der Bersolmotor pfiff heiser. Pablo drehte das Skateboard in einem weiten Schwung. Sicher landete er wieder auf der Straße.
Luan war begeistert. Das sah cool aus. Übermütig raste er auf eine Garagenwand zu, forderte dem Motor alles ab. Doch plötzlich bekam er Angst. Die Wand schoss auf ihn zu. Wie sollte er das Skateboard kippen.
„Jeeetzt“, hörte er Pablo schreien.
Es war zu spät, um zu bremsen. Das würde er nie mehr schaffen. Mit letzter Kraft kippte er das Skateboard an. Und dann raste er die
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