Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
Vom Netzwerk:
wissen, um wen es sich handelt.“
    Professor Brenius lächelte. „Werden beide im Hochsicherheitstrakt untergebracht“, sagte er, hob die Hand zum Gruß und blendete sich aus.
    Doktor Tornham drehte sich um und stieg auf seinen Scooter. Er ließ den Pentussekmotor aufheulen.
    „Doktor Tornham“, versuchte es Sansibar noch einmal, „was wissen Sie von meiner Mutter? Bitte. Ich verspreche, ich lege die Kristallprüfung freiwillig ab.“
    Ohne sich umzudrehen knurrte Doktor Tornham: „Natürlich wirst du nach der Korrektur die Kristallprüfung freiwillig ablegen. Das hat noch jeder gemacht.“ Doktor Tornham lachte, dann schoss er auf seinem Scooter aus der Eingangshalle. Die Sipos rauschten ihm nach.
    „Bitte“, schrie Sansibar. Sie wollte sich aufrichten, doch die Decke hielt sie zurück. Je mehr Sansibar an ihr zog und zerrte, umso fester spannte sich die Decke.
    Die Pfleger ließen das Bett vor sich her gleiten und dirigierten es zum Aufzug. Prönke legte seine Hand auf die Glasplatte am Aufzug und sagte: „Hochsicherheitstrakt.“
    „Freigabe erteilt“, blinkte auf dem Hologramm. Der Lichtvorhang des Aufzugs schwang zur Seite. Die Pfleger schoben das Bett in den Aufzug. Sie donnerten es gegen die Metallwand. Der Aufzug setzte sich in Bewegung. Sansibar hatte das Gefühl zu fallen. Mit einem Ruck blieb der Aufzug im fünften Untergeschoss stehen. Der Lichtvorhang gab den Ausgang frei. Ein mattgrauer Gang führte nach rechts. Die meisten Türen waren beschriftet. Raum U575 Energieversorgung konnte Sansibar lesen, danach U576 Gerätekammer und U577 Medikamentenlager. Vor dem nächsten Lichtvorhang blieben die Pfleger stehen: U571. Prönke entriegelte den dreifach gesicherten Lichtvorhang.
    „Junges Fräulein, am besten du genießt den Aufenthalt im Hochsicherheitsbereich“, meinte er. „Hier kannst du dich frei bewegen. Du sollst dich schließlich nicht wie eine Gefangene fühlen. Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Patienten freiwillig zu uns kommen.“
    Die Pfleger schoben Sansibar in einen Raum, dessen Wände halbhoch mit dunklem Holz verkleidet waren. Es sah gemütlich aus wie in einem altmodisches Oma-Café. Polstersofas standen um die niedrigen Tischchen. Ein Teller mit brennenden Kerzen ließ Sansibar an eine Steinzeithöhle denken. Ob die Flammen echt waren? Kleine Lampen mit Bastschirmen hingen von der Decke herab. Glühbirnen verbreiteten warmes Licht.
    In einer Ecke sah Sansibar eine Station mit ziegelsteingroßen Computern und unbeweglichen Bildschirmen. Das waren echte Museumsstücke. Sansibar kannte so etwas nur aus dem Geschichtsunterricht. Zu Beginn des Jahrtausends gab es keine Kommunikatoren. Das ceeBand war noch lange nicht erfunden. Und damals waren in Cafés oft Computer installiert, um E-Mails und andere Nachrichten abzurufen.
    „Der Aufenthaltsraum“, erklärte Prönke. „Dort hinten Zimmer 3 ist deines.“ Er entriegelte die Magnetdecke und schlug sie zurück. Sansibar richtete sich auf und ließ sich aus dem Bett gleiten. „Ich habe Hunger.“
    Die Pfleger schoben das Bett schon nach draußen. Prönke drehte sich noch einmal um und deutete auf die Wand, an der ein gedrucktes Poster hing. Ein richtiger Palmenstrand war darauf abgebildet – so einer mit Sandflöhen, sengender Sonne und giftigen Tieren im Wasser. Zum Glück gab es heutzutage künstliche Strände. Sie waren komfortabler und vollkommen ungefährlich.
    Unter dem Poster stand ein uralter Automat mit 25 Glasklappen an der Vorderseite. Hinter jeder Klappe lag ein Sandwich. Sie waren fertig zubereitet. Man konnte nicht einmal wählen, ob man es mit oder ohne Mayonnaise essen wollte. Schrecklich, wie die Menschen früher leben mussten. Sansibar empfand Mitleid für das Leben ihrer Urgroßeltern.
    Mit einem Sandwich in der Hand, drückte Sansibar schließlich den kleinen Knopf ihres TwaddleBands. Der Bildschirm leuchtete. Endlich hatte sie wieder Empfang. Sansibar atmete auf. Das TwaddleBand begann zu vibrieren. 587 Nachrichten waren eingegangen. Sansibar wischte darüber, aber nur die oberste ließ sich öffnen. Es war eine Videonachricht von Professor Brenius. „Liebe Sansibar Arbani, wir möchten, dass du dich freiwillig, ganz ohne Zwang für deine Korrektur entscheidest. Wir haben die Räume hier im Stil der Jahrtausendwende eingerichtet. Du sollst selbst erfahren, wie mühsam und entbehrungsreich ein Leben ohne RUHL ist.“
    Sansibar biss in das Sandwich. Es schmeckte sauer. Igitt, eine Essiggurke.

Weitere Kostenlose Bücher