Die Schattensurfer (German Edition)
in furchteinflößender Höhe an der Hochhauswand. Mit zitternden Fingern griff Sansibar nach dem Fenstersims. Sie versuchte sich hochzuziehen. Doch ihre Arme waren zu schwach. Nele half nach und schob und drückte. Schließlich rutschte Sansibar über das Fensterbrett. Erleichtert ließ sie sich ins Innere des Hauses fallen. Sie rappelte sich auf. Sie musste Nele helfen. Doch Nele hatte sich schon alleine hochgezogen. Ein Bein hatte sie über das Fenstersims geschoben und im nächsten Moment stand sie neben Sansibar.
Chris rief ihnen etwas zu. Aber er war viel zu weit weg. Sansibar verstand kein Wort. Chris fuchtelte mit den Armen und winkte. „Der Transportsack. Wir müssen ihm den Transportsack hinunterschicken“, sagte Sansibar.
„Gleich“, wehrte Nele ab. „Lass uns erst nachsehen, ob alles in Ordnung ist.“
Sansibar drehte sich um. Der Raum sah unverändert aus. Kisten und Tonnen standen herum. Ein Labyrinth aus riesigen Regalen führte hindurch. Holzbretter waren von Innen gegen die Fenster geschraubt und sperrten die Morgensonne aus.
„Alles in Ordnung?“, fragte Sansibar unsicher
Nele starrte in das dunkle Regallabyrinth. Sie wandte sich suchend um. „Hallo“, flüsterte sie.
Luan? Nein, den sollten sie doch erst in der Sauerkrautfabrik treffen. Sansibar hatte plötzlich so ein mieses Gefühl. Irgendetwas stimmte hier nicht.
„Marc“, flüsterte Nele.
„Marc? Wieso Marc?“, wollte Sansibar wissen.
Nele antwortete nicht. Nervös ging sie ein paar Schritte vor und spähte um das nächste Regal.
Was hatte das zu bedeuten? Sansibar tastete sich rückwärts. Wenn es sein musste, würde sie sich in den Transportsack retten.
„Marc?“, hörte sie Neles Stimme aus den Tiefen des Regallabyrinths. Auch Nele klang ängstlich. Sansibars Herz raste wie eine Nähmaschine. Was verschwieg ihr Nele?
Da stieß Sansibar mit ihrer Ferse gegen etwas Hartes. Sansibar zuckte. Ohne sich umzusehen, griff sie mit der Hand hinter sich. Sie spürte einen elastischen Stoff. Das fühlte sie wie ein Sportanzug an. Hinter ihr stand jemand.
Sansibar kreischte. Sie trat um sich und wollte wegrennen. Doch im selben Moment lösten sich dunkle Schatten von den Regalen. Bestimmt ein Dutzend. Sansibar hatte nicht die geringste Chance ihnen zu entkommen. Die Schatten drängten auf sie zu. Sansibar erkannte die blauen Trainingsanzüge mit dem Zickzackmuster an den Seiten: Sipos.
Sansibar riss den Mund auf. Doch bevor ihre Stimmbänder einen Ton in den Raum schleudern konnten, drückte sich eine Hand auf ihren Mund. Ein Sipo hatte sie gepackt. Er drehte ihr die Arme auf den Rücken. Sansibar zappelte. Sie trat um sich. Sie versuchte zu beißen. Sie wusste, sie würde nicht entkommen. Ein zweiter Sipo schlang Plastikfesseln um ihre Gelenke. Sie schnappten zu. Mit jedem Versuch sich zu befreien, schnitten die Fesseln nur tiefer ein.
Nele, sie hatten Nele noch nicht erwischt. Vielleicht könnte Nele ihr helfen. Aber was konnte Nele schon gegen ein Dutzend Sipos ausrichten? Das war lächerlich.
Da hörte Sansibar Schritte auf dem Betonboden. Ruhige Schritte, Schritte, die nicht in Eile waren und auch keine Angst hatten, entdeckt zu werden. Schritte von Lederschuhen. Jedes Auftreten der Absätze klang wie ein kleiner präziser Hammerschlag. Es waren Männerschritte, nicht das Klickern von Frauenschuhen. Die Schritte kamen näher.
Sansibar hielt die Luft an. Das war kein Sipo. Sipos bewegten sich lautlos. Sipos trugen Sportschuhe.
Die Sipos blickten alle in die Richtung, aus der die Schritte kamen. Regungslos starrten sie hinüber zum Regallabyrinth.
Sansibar drehte ihren Kopf, so weit es eben ging. Sie sah einen schwarz gekleideten Mann zwischen den Regalen. Sein Anzug schimmerte fein und glatt. Noch zweimal klackten die Absätze auf den Betonboden. Natürlich erkannte sie den Mann im Seidenanzug, aber sie wollte es nicht glauben. Das konnte nicht wahr sein. Die blonden Haare des Mannes saßen wie mit Lineal und Zirkel vermessen. Auf seinem schwarzen Lederstirnband schimmerte ein dunkelblauer Kristall.
„Doktor Tornham“, murmelte Sansibar fassungslos.
Doktor Tornham schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. „Sansibar, Sansibar, was hast du nur getan?“
Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte er sich um und rief: „Nele, du kannst aus deinem Versteck kommen. Niemand wird dir etwas tun. Du und deine Freunde, ihr habt euch um RUHL verdient gemacht. Mit deiner Hilfe konnten wir Sansibar Arbani
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