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Die Schattenträumerin

Die Schattenträumerin

Titel: Die Schattenträumerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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mit dem Necronomicon so mächtig wurde, dass kein Mensch mehr etwas gegen ihn ausrichten konnte?
    Rechts. Mittlerweile hatte sie sowieso keine Wahl mehr. Sollte sie vielleicht in letzter Sekunde mit dem Rollkoffer an Nyarlath vorbeijagen? Seiner Macht hatte sie nichts entgegenzusetzen. Wenn sie sich weigerte, ihm das Buch zu geben, würde er Fiorella und sie wie zwei Fliegen zerquetschen.
    Mitte.
    Sie hielt inne. Überrascht und gleichzeitig schockiert stellte sie fest, dass ihr die Argumente ausgegangen waren. Die Entscheidung, vor der sie sich seit Tagen gefürchtet hatte, war somit gefällt: Sie würde Nyarlath das Necronomicon übergeben! Rational betrachtet hatte sie gar keine andere Wahl mehr, doch Francesca wartete vergeblich auf ein Gefühl der Erleichterung. Im Gegenteil, ein unangenehmes Ziehen in ihrer Magengegend wies sie darauf hin, dass ihr Gewissen mit dieser Entscheidung nicht gerade glücklich war.
    Es musste doch noch einen anderen Weg geben! Sie atmete tief durch und lehnte ihre Stirn auf den abgewetzten Holzgriff. Denk nach, befahl sie sich selbst. Es musste eine andere Möglichkeit geben! Fieberhaft ging sie in Gedanken noch einmal alle Argumente durch, doch sie kam immer wieder zu demselben Schluss. So ein verdammter Mist! Francesca verzog das Gesicht. Dabei hatte sie das Gefühl, die Lösung direkt vor Augen zu haben. Eine innere Stimme schrie ihr regelrecht zu, dass sie etwas Wichtiges übersehen hatte. Sie stöhnte gequält und richtete sich auf. Emilios Vorschlaghammer war als Denkhilfe anscheinend völlig ungeeignet. Unwillkürlich musste sie an den Tag denken, an dem all dies begonnen hatte. An dem Morgen, als sich Antonio und Emilio wegen der tragenden Wand gestritten hatten und sie den Hammer mit Antonio versteckt hatte, war ihr Leben noch in Ordnung gewesen.
    Francescas Augen weiteten sich.
    Die tragende Wand. Nein, korrigierte sie sich in Gedanken,die angeblich tragende Wand. Laut Antonio durfte man sie keinesfalls einreißen, da dies die Statik des Gebäudes gefährdete, doch Emilio war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass die Maße des Zimmers nicht mit den Bauplänen des Palazzos übereinstimmten. Es fehlte fast ein halber Meter …
    Sie stieß einen Schrei aus und sprang in die Höhe.
    Ihre Großmutter zuckte vor Schreck zusammen. »Ist er da? Ich habe ihn gar nicht gehört.«
    »Nonna, hat Emilio die tragende Wand mittlerweile eingerissen?«, entgegnete sie atemlos.
    »Nein, da er und Antonio sich nicht einigen konnten, haben sie beschlossen, einen Architekten zu beauftragen und bis dahin erst einmal die anderen Zimmer zu renovieren. Aber wieso …« Fiorella verstummte. Mit einem Schlag wurde sie aschfahl im Gesicht. »Du meinst doch nicht etwa …?«
    »Einen Versuch ist es wert, oder nicht?«
    Francesca lief so hektisch in das angrenzende Zimmer, dass sie fast über ihre eigenen Füße stolperte.
    »Eigentlich wäre es logisch«, murmelte Fiorella, die direkt hinter ihr war. »Eine zweite Wand – das perfekte Versteck, wenn man sichergehen will, dass etwas nicht von den Feinden gefunden wird. Alessandro hat für den Fall, dass sein Fluch misslingen könnte, an seine Nachfahren gedacht. Er hat nicht nur das Necronomicon auf die Familie geprägt, sondern auch den Dolch, mit dem man sein Meister wird, in ihrer direkten Nähe deponiert. Er rechnete damit, dass es den Bewohnern des Palazzos über kurz oderlang auffallen würde, dass die Zimmermaße nicht mit den Bauplänen übereinstimmen. So wäre die Macht der Medicis für immer gesichert gewesen.«
    Francesca hob so eifrig den Vorschlaghammer in die Höhe, dass sie von seinem Gewicht nach hinten gerissen wurde und einige Schritte zurücktaumelte. Beim ersten Schlag fiel sie mehr gegen die Wand, als dass sie einen richtigen Hieb ausführte – nur etwas Putz blätterte zu Boden.
    Fiorella stand ungeduldig neben ihr. »Schneller, Francesca. Die Zeit wird knapp!«
    »Nonna, das Ding ist verdammt schwer!«, verteidigte sie sich keuchend.
    Sie atmete tief durch, stellte sich breitbeinig auf, spannte die Muskeln an und holte zu einem erneuten Schlag aus. Dieses Mal war es ein Volltreffer. Der Hammer durchschlug die Wand und verschwand in einem dunklen Loch. Als sie ihn zurückzog, fielen einige Mauersteine zu Boden, doch die Öffnung war noch zu klein, um hineinsehen zu können.
    »Es ist kein Licht vom angrenzenden Zimmer zu sehen«, informierte sie ihre Großmutter.
    »Sehr gut! Wir sind auf der richtigen Spur, ich fühle

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