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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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Hintergrund. Solange sein Vater im Krankenhaus lag, war es an ihm, Alains verzweifelte Suche fortzuführen, obwohl er nicht genau wusste, wonach er suchte oder welche Geheimnisse ihn zwischen den Seiten von Der finstere Abstieg erwarteten. Er wusste nur, dass er nahe dran war und dass er entschlossen war, einige Antworten zu finden.
    Mit ihren vielen verschlungenen Tunneln und Treppenhäusern wirkte die King’s-Cross-Haltestelle beinahe wie ein lebender Organismus. Menschen schwammen wie rote Blutkörperchen durch ihre Venen und Arterien, wetteiferten und kollidierten miteinander. Zu welchem Bahnsteig sie auch strebten, ob Victoria-Linie, Metropolitan-Linie oder Piccadilly-Linie, sie schienen alle genau zu wissen, in welche Richtung sie mussten und blickten stur geradeaus. Jonathan reihte sich in den Strom der Leute ein und wurde von ihm hinauf- und aus der Station hinausgetragen.
    Es war ein gutes Gefühl, wieder draußen zu sein, obwohl es angefangen hatte, in Strömen zu regnen.Vor der Station fanden groß angelegte Bauarbeiten statt und Teile der Straße waren aufgerissen. Das Dröhnen der Presslufthammer drang an Jonathans Ohren. Mit all den Absperrungen und den widersprüchlichen Verkehrsschildern war es schwer zu erkennen, wo es zur Bibliothek ging, aber Jonathan kannte den Weg. Er passierte die Sankt-Pancras-Station, King’s Cross’ düsteren älteren Bruder, wich in letzter Sekunde einem Auto auf der Midland Road aus und fand sich an seinem Ziel wieder.
    Die britische Nationalbibliothek war ein modernes Gebäude aus rotem Klinker an der Ecke der Euston Road. Jonathan spazierte an einem Café vorbei und betrat den Vorhof. Um ihn herum ragten akkurat getrimmte Hecken auf, und in gleichmäßigen Abständen ruhten große Gesteinsbrocken auf ihren Sockeln. Diese Anordnung vermittelte ein überwältigendes Gefühl von Ordnung und Ruhe. Zu seiner Linken spähte die gewaltige Bronzestatue eines in der Hocke sitzenden Mannes über die Hecken zu Jonathan herüber. Hinter dem sanft geschwungenen Dach der Bibliothek stemmte sich der gotische Turm der Sankt-Pancras-Station gegen den Himmel, gefangen in einem Käfig aus Baugerüsten.
    Jonathan trottete durch den Hof und durchquerte die automatischen Schiebetüren am Eingang der Bibliothek. Innen war es hell und geräumig. Er befand sich im Eingangsbereich der riesigen Haupthalle. Vor ihm spannte sich ein Netzwerk aus Stockwerken und Treppenhäusern bis zur Decke hinauf, wie ein Querschnittdurch einen Ameisenbau. Zu seiner linken erstreckte sich ein imposantes Gemälde aus lebhaften Farben über die Wand. Irgendwo in der Halle lief eine Aufnahme afrikanischer Stammesmusik und der Lärm der Trommeln übertönte das Geplapper der Leute. Die Szenerie ähnelte eher einem schicken Kaufhaus als einer Bibliothek.
    Jonathan erklomm die schmale Rolltreppe zum ersten Stock und ging an einem riesigen, gläsernen, mit alten Büchern gefüllten Regal vorbei, das ihn an Zuhause erinnerte. Der Leseraum verbarg sich in der hintersten Ecke des ersten Stockwerks. Die Bibliothekarin am Schalter lächelte ihm freundlich zu, als sie ihn wiedererkannte.
    »Hallo, Jonathan. Wo ist dein Vater?«
    »Hi, Jenny. Mein Vater ist wieder mal krank. Aber es gibt da ein Buch, das ich unbedingt für die Schule lesen muss, und ich kann es nirgendwo sonst finden.«
    »Du weißt doch, dass du zu jung bist, um allein hierher zu kommen.«
    »Komm schon, Jenny. Ich bin immer hier. Und es ist ja nur ein einziges Buch!«
    Die Bibliothekarin runzelte die Stirn, beugte sich zu ihm herüber und flüsterte ihm zu: »Okay. Dieses eine Mal. Aber ich bekomme furchtbaren Ärger, wenn irgendetwas schiefläuft.«
    Jonathan grinste. »Wir sind hier in einer Bibliothek! Was soll da schon schiefgehen?«
    Er marschierte am Schalter vorbei und suchte sich einen Sitzplatz in einer abgeschiedenen Ecke desLeseraums. Der Raum strahlte eine besondere Atmosphäre aus – die niedrige Decke, das schummrige Licht, der Geruch des Teppichs –, die in ihm die Erinnerungen daran wachrief, wie er früher seinen Vater in stiller Bewunderung beim Lesen beobachtet hatte. Innerhalb dieser Mauern war es ihnen beinahe leicht gefallen, so zu tun, als hätten sie eine normale Vater-Sohn-Beziehung. Jonathan schüttelte den Kopf. Er hatte jetzt keine Zeit für solche Dinge.
    Wenn man in dieser Bibliothek ein Buch haben wollte, konnte man es nicht einfach aus einem Regal holen. Jonathan musste den Titel des Buches und seine Platznummer in einen der

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