Die Schattenwelt
dann rufen Sie mich an.«
Sie nickte nochmals, Shaw verabschiedete sich und verließ den Raum. Die Frau war offensichtlich von dem, was ihr widerfahren war, sehr mitgenommen. Das war die einzige Erklärung für ihre unsinnige Aussage. Er hoffte, dass sie ihm mit etwas Abstand ein paar glaubwürdigere Informationen liefern würde. Zurzeit endeten ihre Nachforschungen in diversen Sackgassen und alle spürten den wachsenden Druck.
Die Lage besserte sich auch nicht durch die Tatsache, dass Carter Roberts verschwunden war. Als Shaw zur Arbeit gekommen war, hatte er eine knappe Nachricht auf seinem Anrufbeantworter vorgefunden, die ihm mitteilte, dass Roberts im Norden eine Spur verfolgte. Seitdem hatte er nichts mehr von ihm gehört, abgesehen von einem unbefriedigenden Telefonat, das sie geführt hatten. Die Verbindung war schlecht gewesen und sie konnten sich beide gegenseitig kaum verstehen.
»Sind Sie dran, Shaw?«
»Wie bitte?«
» SIND SIE DRAN, SHAW ?«, brüllte Roberts.
»Oh. Ja, Sir. Entschuldigung, Sir.«
»Gibt es irgendwelche Neuigkeiten bezüglich des Starling-Jungen?«
»Nein, Sir. Wir haben diese verrückte Frau noch einmal hierhergebeten, um mit ihr über ihre Aussage zu sprechen. Vielleicht erzählt sie uns etwas, das uns ein wenig mehr weiterhilft als Riesen mit übermenschlichen Kräften.«
Er kicherte, aber sein Vorgesetzter schien das nicht ganz so amüsant zu finden.
»Halten Sie den Mund, Shaw. Sie können blöde Witze machen, wenn Sie Starling gefunden haben. Gibt es sonst noch etwas?«
»Eines vielleicht noch. Ich habe eben mit Ricky Thomas Mutter gesprochen. Sie glaubt, dass der Bursche Probleme mit Mitschülern hatte. Deshalb habe ich mich gefragt, ob er vielleicht gar nicht entführt wurde. Vielleicht ist er einfach nur weggelaufen.«
Roberts grunzte desinteressiert.
»Vergessen Sie mal für den Moment den Thomas-Jungen. Er ist nicht der Schlüssel zu dem Fall. Konzentrieren Sie sich darauf, Starling zu finden.«
»Nun, wir versuchen ja schon alles, aber das ist nicht so einfach. Wir haben ein Team draußen, das nach ihm sucht, aber er scheint vom Erdboden verschwunden zu sein.«
Es entstand eine Pause.
»Dann legen Sie sich mehr ins Zeug«, erwiderte Roberts und legte abrupt den Hörer auf.
Shaw war deshalb immer noch wütend, als er durch die langen Korridore des Reviers lief. Er hatte das Gefühl gehabt, dass sie der Lösung näherkamen, aber jetzt standen sie wieder am Anfang. Er war auf dem Weg zurück zur Eingangshalle, als ein junger Polizist ihn schwer schnaufend einholte.
»Shaw! Warten Sie!«
»Was ist los?«
»Sie müssen mitkommen und sich etwas ansehen. Sie werden es nicht glauben, aber Sie sollten es sich ansehen.«
Er führte ihn in einen Überwachungsraum im ersten Stock, in dem die einzige Lichtquelle ein paar Monitore waren. Der junge Beamte schien sich seiner Sache nicht ganz sicher zu sein und flüchtete sich sofort in eine schnelle Erläuterung.
»Als ich es gesehen habe, dachte ich, dass das so etwas wie eine technische Störung sein muss, also habe ich mit den Jungs von der Technik gesprochen, und die sagen, dass mit dem Band alles in Ordnung ist, und deshalb muss das irgendwie echt sein. Glaube ich.«
Inspektor Shaw kratzte sich ungeduldig am Kopf.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
Der junge Polizist drückte die Starttaste an einem Videorekorder. Ein krisseliges schwarz-weiß-Bild einer leeren Straße erschien auf dem Bildschirm.
»Wir haben ein paar Überwachungsbilder von einer Kamera unten am Ufer der Themse in der Nähe der Blackfriars-Brücke. Verstehen Sie?«
Auf dem Bildschirm tauchte eine kleine Gestalt auf, die den Pfad entlangrannte. Ihre Beine bewegten sich mit hoher Geschwindigkeit.
»Das muss der Starling-Junge sein«, flüsterte Shaw. »Wo genau befindet sich die Kamera? Wir brauchen da unten ein paar Männer, und zwar sofort!«
»Das ist noch nicht alles … Schauen Sie.«
Der Bildschirm flimmerte und plötzlich huschte ein verschwommener Umriss den Weg entlang.
»Was zum Henker war das?«
Der Polizist ließ das Band in Zeitlupe zurücklaufen. Allmählich entpuppte sich der Umriss als ein Mann. Aber nach der Uhrzeit in der unteren rechten Ecke des Überwachungsvideos zu urteilen, hatte er die Strecke, die von der Kamera beobachtet wurde, mit einer unmöglichen Geschwindigkeit durchlaufen. Shaw traute seinen Augen nicht.
»Das kann kein Mensch sein! Niemand läuft so schnell!«
»Ich weiß. Und haben Sie
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