Die Schattenwelt
Und jetzt geh mir aus dem Weg.«
»Carnegie, du mischst dich da in wichtige Geschäfte ein. Was willst du überhaupt von den Bastarden?«
»Das ist meine Sache. Wir gehen.«
»Ich werde mich nicht mit dir streiten. Vielleicht könnten wir eine Art … finanzielle Übereinkunft treffen?«
Carnegie reichte es. Er heulte auf und stürzte sich auf Grimshaw. Erschrocken schwang der Zirkusdirektor seine Peitsche, aber es war zu spät. Der Wermensch packte seine Hand, entriss ihm die Waffe und schleuderte sie fort. Dann erhob er den Arm und versetzte Grimshaw einen kräftigen Schlag ins Gesicht. Die Wucht des Aufpralls ließ ihn auf die Knie fallen. Carnegie erhob erneut seine Hand.
»Nein!«, schrie Jonathan.
Der Wermensch drehte sich um und die Augen der Bestie funkelten ihn an.
»Tu es nicht! Du wirst ihn umbringen!«
»Und?«
Seine Stimme hatte einen gefährlichen Unterton. Jonathan wurde klar, dass er nicht länger mit einem Privatdetektiv sprach, sondern zwischen einem Tier und seiner Beute stand.
»Du musst ihn nicht töten. Sieh ihn dir an!«
Grimshaw hing wie eine Marionette an Carnegies Hand, seine Augen waren glasig und seine Füße schleiften über den Boden.
»Du bist weit von zu Hause fort, Junge. Vielleicht solltest du besser den Mund halten.«
»Er ist es nicht wert.« Jonathan bemühte sich, seine Stimme ruhig und tief klingen zu lassen, ohne eine Spur von Angst. »Wenn du ihn tötest, dann bist du nicht besser als er.«
Carnegie fletschte die Zähne und erhob nochmals die Hand.
»Ich töte, was und wen ich will. Stell dich mir in den Weg, Junge, und du wirst es auf die harte Tour lernen. Kugel hin oder her.«
»Das bist nicht du, der da spricht. Ich kenne dich. Du bist kein Mörder.«
Jonathans Körper bebte vor Anspannung. Carnegie starrte ihn an, und er sah, wie hasserfüllt seine Augen waren. Er wusste, wenn er den Blick abwendete, würde er sterben, also blieb er stillstehen, obwohl in ihm jede Faser seines Körpers schrie, er solle rennen. Sie standen sich nur einige Sekunden lang gegenüber, aber Jonathan erschienen sie wie eine Ewigkeit. Schließlich brüllte der Wermensch wütend und warfGrimshaw zur Seite. Der Zirkusdirektor kroch über die Steinplatten und wimmerte theatralisch.
Carnegie entfloh, knurrend und wild vor sich hin murmelnd, in die Nacht. Er trat gegen Mauern, Straßenlaternen, eine vorbeilaufende Katze und bedachte seine Umgebung noch mit einem mordlüsternen Blick. Jonathan und Ricky folgten ihm mit einigen Schritten Abstand und achteten darauf, dass sie ihm nicht zu nahe kamen. Nach einigen Minuten äußerster Anspannung hörte er auf zu knurren, seine Muskeln entspannten sich und seine Wirbelsäule bog sich wieder in ihre normale, menschliche Position. Schließlich marschierte er zu Jonathan, legte ihm seine Hand auf die Schulter und zog ihn ein wenig von Ricky fort.
»Wie geht es dir?«
»Es geht schon. Mein Fuß tut ein bisschen weh. Die andere Wunde schmerzt sogar noch schlimmer. Und ich habe den Dolch verloren. Aber ich lebe.«
»Das ist die richtige Einstellung.« Carnegie machte eine Pause. »Ich habe Skeet nicht umgebracht«, murmelte er.
»Wie bitte?«
»Nur dass du es weißt. Ich habe ihn nicht umgebracht. Er ist in einem ziemlich schlechten Zustand, aber er lebt.«
Jonathan starrte ihn an.
»Warum erzählst du mir das?«
»Weil ich Grimshaw vorhin umgebracht hätte. Ich hätte vielleicht sogar dich getötet. Du bist ein ziemliches Risiko für dieses Stück Dreck eingegangen.«
»Vielleicht. Vielleicht habe ich einfach mehr Vertrauen in dich als du selbst.«
Carnegie lachte verbittert.
»Könnte sein. Kommt. Ich brauche immer noch etwas zum Abendessen.«
21
Auf der anderen Seite von Darkside senkte sich der Nebel wie ein kalter, feuchter Vorhang über Savage Row. Im Salon von Vendetta Heights verfolgte Raquella, wie die großen Ulmen und der schmale Eisenzaun am Rand des Anwesens allmählich vom Nebel verschluckt wurden. Das milchige Licht der Straßenlaternen konnte ihn nicht durchdringen und verlieh der Szenerie ein gespenstisches Aussehen.
Obwohl Raquella nicht behaupten konnte, sich jemals wirklich sicher auf Vendetta Heights gefühlt zu haben, war sie in diesem Moment doch froh, nicht draußen zu sein. Der Salon wurde von Öllampen und einem knisternden Feuer im Kamin erleuchtet. Ihr Herr hatte sich vor einigen Stunden in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und benötigte ihre Dienste im Augenblick nicht. Vendetta war in den letzten
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