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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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polieren, bevor sie den Tee servieren konnte. Sie entferntesich gerade vom Fenster, als sie ein Geräusch hörte. Raquella drehte sich um. Eine Kutsche tauchte aus dem Nebel auf. Das Pferd hatte Schaum vor dem Maul, während sie mit Höchstgeschwindigkeit die Auffahrt entlangflog. Die Kutsche erreichte das Haupthaus, der Fahrer riss plötzlich die Zügel zurück und brachte sie mit einem Ruck zum Stehen. Das Pferd protestierte wiehernd und stampfte mit den Hufen. Dampfwolken stiegen von seinem Körper auf. Der Fahrer sprang ungelenk vom Kutschbock herab. Er war in einen langen dunklen Umhang gehüllt und hinkte stark. Unter großen Mühen erklomm er die Stufen zum Eingang und hämmerte lautstark gegen die Tür.
    Ihr Herz schlug schneller. Raquella marschierte energisch zur Eingangstür und zog sie auf. Sie hatte bereits vor langer Zeit gelernt, dass ein selbstsicheres Auftreten bei Vendettas Besuchern entscheidend war, egal, wie man sich fühlte. Wenn sie spürten, dass man vor ihnen Angst hatte, war man in ernsten Schwierigkeiten.
    »Ja, bitte?«, herrschte sie die vermummte Gestalt an.
    »Ich muss Vendetta sprechen«, flüsterte die Gestalt.
    »Ich befürchte, mein Herr ist gerade indisponiert. Möchten sie ihm eine Nachricht hinterlassen?«
    Die Gestalt zog sich müde die Kapuze vom Kopf. Raquella zuckte zusammen. Es war Marianne. Ihr Gesicht war mit Wunden übersät und ihre Wangen waren blutverschmiert.
    »Ich habe keine Zeit für deine Spielchen, Raquella«, erwiderte sie matt. »Ich muss ihn sofort sprechen. Es ist dringend. Glaub mir, er wird auch mit mir sprechen wollen.«
    Raquella öffnete die Tür ein wenig weiter und führte die Kopfgeldjägerin hinein. Sie wusste, dass es riskant war, Vendetta zu stören, aber Marianne musste einen wichtigen Grund haben, wenn sie ihn in diesem Zustand aufsuchte. Raquella bedeutete Marianne, in der Eingangshalle zu warten, und lief zum Arbeitszimmer.
    Vendetta schlief in einem der großen Lehnstühle. Sein Gesicht war noch blasser als sonst. Er schreckte hoch, als Raquella sich ihm ängstlich näherte, und starrte sie drohend an.
    »Was ist los?«
    »Es tut mir leid, Sie zu stören, Sir, aber Marianne ist hier. Sie sagt, dass sie Sie unbedingt sprechen muss.«
    Vendetta richtete sich interessiert in seinem Stuhl auf.
    »Gut, gut. Dann lass sie rein.«
    »Ja, Sir.«
    Raquella machte einen Knicks und eilte hinaus in die Halle, wo Marianne ungeduldig wartete.
    »Wurde auch Zeit«, murmelte sie. Am liebsten hätte sie Raquella zur Seite geschoben, als das Dienstmädchen sie ins Arbeitszimmer führte.
    Nachdem Marianne im Arbeitszimmer war, wurde es wieder still im Haus. Raquella dachte einigeSekunden fieberhaft nach. Dann rannte sie zur Hintertreppe, die die Bediensteten benutzten. Sie hob ihren Rock an und nahm zwei Stufen auf einmal, bis sie im dritten Stock ankam. Hier wurden die meisten Räume nicht benutzt und Raquella schlich vorsichtig über den weichen Teppich durch die Dunkelheit. Die Möbel waren zum Schutz vor Staub mit dicken Laken verhängt und bildeten eine unheimliche Armee aus eigenartig geformten, weißen Objekten.
    Im hintersten Raum gab es eine schwere Tür in der rückwärtigen Wand. Raquella kramte einen Schlüsselbund aus ihrer Tasche und ließ die Schlüssel auf der Suche nach dem richtigen einzeln durch ihre Finger gleiten. Sie stellte fest, dass ihre Hände leicht zitterten, und ermahnte sich, nicht albern zu sein. Dann fand sie den passenden Schlüssel, öffnete die Tür und schlüpfte in den dahinter liegenden Raum.
    Raquella wusste, dass man von dem hölzernen Balkon aus in Vendettas Arbeitszimmer blicken konnte. Aus dieser Höhe wirkte der Raum sogar noch beeindruckender. An den Wänden reihten sich Bücherregale, die so weit bis zur Decke hinaufragten, dass man die letzten Fächer nur noch mit hohen Leitern erreichen konnte. Raquella kroch auf allen vieren bis zur Kante des Balkons und spähte durch die Holzstreben der Brüstung. Vendetta stand vor dem Kamin, die Arme auf dem Rücken verschränkt, und sein Schatten erstreckte sich über die gesamte Länge des Raums. Marianne saß in einem der Lehnstühle und ihr Gesicht spiegelte ihre Erschöpfung wider. Eine Zeitlang schwiegen sie, bis Vendettas ruhige, spöttische Stimme die Stille durchbrach.
    »Hattest du einen anstrengenden Tag?«, fragte er gespielt unschuldig.
    Marianne schüttelte den Kopf.
    »Ich hatte eine Auseinandersetzung mit einem Becken voller Barrakudas. Im Kabinett war die

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