Die Schatzhöhle
möglich mit eigenen Augen zu betrachten.
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Etwa fünfzig Kilometer landeinwärts, dort, wo die von Mangrovenbäumen durchwachsenen Sümpfe Ostafrikas in das ansteigende Hügelland übergehen und von riesigen Tropenwäldern abgelöst werden, etwa an der Stelle, wo heute die Stadt Korogwe liegt, standen zur Zeit, da unsere Erzählung spielt, die aus Zweigen und Schilf geflochtenen Hütten eines Negerkrals. Die Bewohner dieses Krals gehörten der Bantu-Rasse an.
Es waren schöne Menschen, hochgewachsene, stämmige und kriegerische Gestalten.
Sie wohnten noch nicht lange hier. Seit zwei Jahren etwa. Sie waren vom großen Fluß, der weiter im Norden lag, bis hierher gezogen; sie hatten alles aufgegeben, was sie besessen hatten, und waren über Nacht auf und davon gegangen; denn sie konnten dort nicht mehr leben. Jedes Jahr, wenn die Regenzeit begann, waren sie mit ihren bewaffneten Daus den Fluß heraufgekommen, die arabischen Sklavenjäger, und hatten die Dörfer überfallen, die kräftigen jungen Männer und Frauen eingefangen und verschleppt.
Das Dorf bestand fast nur aus alten und schwachen Leuten, die nicht mehr die Kraft hatten, allein ihre Felder zu bebauen. Ihre mühsamen dem Dschungel abgerungenen Kulturlandflächen verkamen. Sie konnten die Orangen, die Bananen, das Kaffernkorn, den Mais und die Erdnüsse nicht mehr ernten. Der Stamm war zum langsamen Tode verurteilt.
Zuerst wollten sie den Fluß hinaufziehen. Die Kunde von einem Berg, auf dem ein weißes Dach sitzen sollte,und an dessen Fuß es fruchtbare und gesunde Niederungen geben sollte, war bis zu ihnen gedrungen. Schwarze Jäger hatten die Nachricht gebracht, zugleich aber auà von einem großen Volk gesprochen, das dort wohnte und sein Gebiet eifersüchtig vor fremder Einwanderung schützte.
Den Berg nannten sie »Berg des bösen Geistes«. Oder in ihrer Sprache »Kilima-Ndscharo«. Die Bewohner der Flußniederung aber hatten vor bösen Geistern noch mehr Furcht als vor den arabischen Menschenfängern. Und so beschlossen sie, noch vor Beginn der Regenzeit nach Südwesten zu wandern.
Als die Araber kamen und ihre Jagdgründe leer fanden, begannen sie zu toben und zu schimpfen; denn auf den Sklavenmärkten von Sansibar warteten die Sklavenschiffe von Haiti auf die schwarze Fracht. Diesmal mußten sie unverrichteterdinge wieder abziehen.
Nun, die Schwarzen konnten ja nicht aus der Welt sein. Irgendwo würde man schon wieder auf ihre Krale stoßen. Dann mußte man eben doppelt so viele mitnehmen, um sich für den Verlust dieses Jahres schadlos zu halten.
Die Sklavenhändler waren klug. Solange die Jagd auf die Menschen noch nicht ins Maßlose stieg, hatten sie sich das Küstengebiet des späteren Deutsch-Ostafrika in Distrikte eingeteilt. Nie nahmen sie alle gesunden und kräftigen Männer und Frauen eines Dorfes. Sie ließen immer soviel zurück, daß der Stamm lebensfähig blieb und für Nachwuchs gesorgt wurde. i
Aber das wurde schon zu Beginn der siebziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts anders. Die Bewohnerzahl an der Küste ging zurück. Und weiter ins Innere hatten sich die Sklavenjäger noch nicht gewagt. Wenn aber ja einmal einer ihrer Züge weiter führte, so nahmen sie alle Männer und Frauen mit, schlugen die Zurückbleibenden tot und verbrannten ihre Hütten, um die Erinnerung an das Dorf im Gedächtnis anderer Negerstämme auszulöschen. Das war natürlich nur ein sehr unfrommer Aberglaube; denn die Urwaldtrommeln ließen sich auch durch Feuer und Rauch nicht zum Schweigen bringen. —
Das Bantudorf, von dem hier die Rede ist, lebte in der neuen Heimat seit zwei Jahren glücklich und zufrieden. Seit sie hier ihre Hütten gebaut hatten, hatten die Bewohner noch keine Berührung mit den Arabern gehabt.
Das Land um den Kral herum begann Frucht zu tragen. Stück um Stück hatten sie in schwerer Arbeit mit ihren primitiven Werkzeugen gerodet. Und wo die Baumstämme gar nicht weichen wollten, hatten sie sie stehen lassen und den Mais einfach dazwischen gesetzt.
An diesem Januartag war es sehr heiß. Der Boden war aufgeweicht vom unaufhörlich strömenden Regen. Die Arbeit ruhte, und Männer und Weiber saßen in ihren Hütten und verfertigten Waffen. Hatten diese Waffen noch vor zwei Jahren ausschließlich der Jagd gedient, so wurden jetzt starke Speere, große Bogen, gefiederte Pfeile und Schilde geschaffen, die der Verteidigung gegen den Menschen dienen sollten.
Der alte Häuptling war ein friedlicher Mann; aber die
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