Die Schatzhöhle
einen Führer.«
Der Araber war über diesen gänzlich neuen Gesichtspunkt überrascht.
»Schejtan«, sagte er, »du mußt wirklich ein Gelehrter sein. Darauf bin ich noch nicht gekommen.«
Er nannte den Namen des Führers. Er hieß Ugawambi und wohnte in einer Hütte jenseits der Lagune.
»Ich werde Allah für deine Freundlichkeit preisen«, sagte der Pfeifer.
28
Ugawambis Hütte, äußerlich eine Lehmhalbkugel, wies in ihrer Einrichtung schon moderne, europäische Züge auf. In der Mitte zum Beispiel, wo sonst die offene Feuerstelle zu sein pflegte, stand eine große Kiste mit der Aufschrift »Portugiesische Bananen, Ia Qualität«. Kleinere Kisten waren im Kreis darum gestellt, angeordnet wie Stühle. Darauf lagen Kissen, richtige
Plüschkissen, allerdings verschlissen und verblichen; ihre ursprüngliche Farbe war nicht mehr zu erkennen.
An den Wänden standen Betten. Es waren große Jutesäcke, ebenfalls wieder mit den
Beschriftungen irgendeiner Importfirma versehen, die, gefüllt mit Baumwolle, einem ausgewachsenen Mann bequem Platz boten.
Aus Lehm hatte der zivilisierte Besitzer in einer Ecke einen Ofen aufgebaut, die Krönung des Ganzen aber war ein verrostetes Ofenrohr.Ugawambis Weiber waren so stolz auf dieses Prachtstück, daß sie auch jetzt im Dezember, mitten im Hochsommer also, bei etwa fünfunddreißig Grad im Schatten, kräftig heizten.
Vor der Hütte spielte eine ganze Horde kaffeebrauner Kinder, die beim Nahen der drei wie
Spatzen kreischend auseinandergeflogen waren.
Ugawambi selbst war nicht zu Hause.
Michel fragte die jüngere der beiden Frauen, wo er ihn finden könne.
Die Frau schrie und gurgelte etwas, gestikulierte wild mit den Händen; aber keiner der drei konnte auch nur ein Wort verstehen.
Nach längerer, mühevoller Verständigung in Zeichensprache wurden die Männer aufgefordert, auf den feudalen »Stühlen« Platz zu nehmen.
»Vorsicht«, warnte Ojo leise, »vielleicht gibt's hier Wanzen oder Läuse!«
Sie setzten sich wie vornehme Damen ganz vorn auf die Kante, um nicht beleidigend zu wirken. Fast eine Stunde verstrich, da kam ein riesiger, wohl zwei Meter langer Neger durch die niedrige Tür gekrochen. Er sah so groß aus, daß man unwillkürlich die Befürchtung hatte, er müsse jeden Augenblick in der Mitte durchbrechen; denn er war spindeldürr und hatte Beine, die nicht dicker waren als die Arme eines normalen, kräftigen Mannes.
Er trug ein Hemd, das ihm fast bis zu den Knien reichte. Darüber eine rote Schärpe, die von irgendeinem Orden stammen mochte und jetzt als Gürtel diente. Die modernste Errungenschaft allerdings, auf die er ganz besonders stolz zu sein schien, war eine weiße, völlig zerfranste und strähnig gewordene Perücke, die er sich über die eigenen Kraushaare auf den schwarzen Hinterkopf gestülpt hatte. Sie verlieh ihm ein groteskes Aussehen.
Die Frauen überfielen den Ankömmling mit kreischenden Worten und deuteten auf die Besucher.
Der Neger schaute sie mißtrauisch an. Seine Blicke galten besonders Ojo, der ihm, trotz seiner eigenen Länge, am meisten zu imponieren schien.
Er fragte etwas in dem hier unter den ostafrikanischen Eingeborenen gebräuchlichen Kisuaheli. Der Pfeifer schüttelte den Kopf und meinte auf arabisch:
»Sprichst du nicht die Sprache der Gläubigen? Ein Anhänger des Propheten hat uns zu dir geschickt.«
Der Schwarze nickte eifrig und erwiderte in einem entsetzlichen Arabisch:
»Oh, ich reden alle Sprachen von der Welt ganzes. Ich sein Ugawambi, großes Führer, reiches
Mann und haben schönstes Frau von Welt.« Bei den letzten Worten machte er eine galante
Verbeugung zu der jüngeren der beiden Frauen hin, die zwar nicht gerade abschreckend häßlich,
aber gewiß nicht schön war.
»Sprichst du auch spanisch?«
»Nein. Nur Sprachen von große Völker.«
Michel lächelte. Was würde Ojo wohl gesagt haben, wenn er das verstanden hätte!
»So vielleicht englisch?«
Ugawambi strahlte.
»Englisch sein meine Lieblingssprache. Ich viel Engländer geführt. Sie alle glücklich, wenn mit mir an der Küste gehen. Engländer sein feines Mensch und viel tapfer Mann.«Mit seinem Englisch war es also auch nicht viel besser bestellt, als mit dem Arabischen. Aber englisch verstand auch Tscham. Das war schon ein Vorteil.
»Gut, mein Freund, bleiben wir bei englisch! Du sollst uns auf einer langen Reise führen.«
»Ich euch führen durch ganze Welt. Ich kennen alle Länder«, warf sich Ugawambi in die Brust.
Er hielt die
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