Die Schatzhöhle
jede Bewegung im Lager. Er wollte, er mußte so viel wie möglich über diese Fremden erfahren ! Sein König erwartete einen ausführlichen Bericht von ihm. Noch immer aber hatte er nichts von dem Donner und Blitz gesehen und gehört. Und das war in seinen Augen das Wichtigste.
Er konnte nicht verhindern, daß seine Zähne in den späten Nachtstunden vor Kälte
aufeinanderschlugen. Er hatte weder eine Decke noch ein Fell bei sich. Er stand auf, um sich
durch Springen zu erwärmen. Dabei fiel sein Blick auf die Stelle, wo vorhin noch Köcher und
Bogen gelegen hatten.
Er stieß einen halblauten Ruf des Schreckens aus.
Die Waffen, die Zier des Kriegers, waren verschwunden, weg, einfach weg!
Entsetzen malte sich auf seinen Zügen. Waren die Überirdischen im Spiel?
Mit seinen großen Augen blickte er sich um. Es war niemand da. Er ging ein paar Schritte zur
Seite.
»Was war das?
Der Bogen schimmerte im Geäst eines Busches.
Maradsche stürzte darauf zu und riß ihn beglückt an sich. Dann griff er nach dem Köcher. Aber dieser war mit einem ihm völlig unbekannten Seemannsknoten an den Zweig gebunden. Er zerrte an den Riemen, um ihn loszubekommen. Endlich löste sich der unheimliche Knoten. Maradsche war voller Furcht. Wie waren seine Waffendorthin gekommen? Er wußte genau, daß er sie neben sich gelegt hatte.
Kopfschüttelnd und mit einem unbehaglichen Gefühl nahm er seinen Beobachtungsposten wieder ein. Würde ihm der König diese Erzählung glauben? Würde er vielleicht denken, daß Maradsche so müde gewesen war, daß er nicht mehr wußte, was er getan hatte? Da war der Knoten. Maradsche dachte, daß es besser gewesen wäre, ihn nicht aufzuknüpfen, sondern den Ast abzuschneiden. Das wäre ein Beweis gewesen, wie man ihn eindringlicher nicht hätte erbringen können. —
Michel hatte den Rest der Nacht gut geschlafen. Als am kommenden Morgen die schlaftrunkenen Menschen wieder hochtaumelten, regnete es.
Der Pfeifer saß bald auf seinem Pferd und ritt wie zufällig in die Nähe des Gebüschstreifens, hinter dem er während der Nacht dem Eingeborenen den Streich mit dem Bogen gespielt hatte. Er strengte seine Augen an, um das Dickicht zu durchdringen. Vielleicht war der nackte Krieger noch da.
Michel hielt sein Pferd an. Langsam und ohne Hast prüfte er seine Büchse. Dann riß er sie plötzlich an die Wange und drückte dreimal hintereinander ab. Es war eine
Kugelverschwendung, wie er sie niemals bei anderen geduldet hätte; denn das Ergebnis dieser Schüsse waren drei Bleßhühner, die so klein und mager waren, daß sie höchstens einen einzigen Mann gesättigt hätten. Er kümmerte sich nicht um die Jagdbeute. Er nahm auch nicht die Büchse herab. et blieb in der Haltung, in der er den letzten Schuß abgegeben hatte und lauschte angestrengt ins Gebüsch. Dann glitt ein Schein der Befriedigung über seine Züge. Er vernahm das leise Knacken von Zweigen und das samtene Auftreten eines nackten Fußes. Der Späher war also noch da. Und Michel hoffte, daß das, was er soeben gezeigt hatte, seine Wirkung auf den bogengewohnten Eingeborenen nicht verfehlte.
Ojo kam heran. Er hob die toten Vögel auf und blickte den Pfeifer vorwurfsvoll an.
»Was ist los, Diaz?«
»Hm. Drei Kugeln wegen dieser mageren Viecher?«
»Nein«, sagte Michel, »nicht wegen der Viecher, sondern wegen des Kundschafters, der hinter
diesen Büschen sitzt und uns belauscht.«
»Kundschafter? Soll ich den Burschen fangen?«
»Um Gottes willen, nein ! Er soll nach Hause gehen und von dem Schreck berichten, den ihm die drei Schüsse mit Sicherheit eingeflößt haben. Er belauscht uns übrigens schon seit gestern. Ich habe ihn mir während der Nacht aus der Nähe betrachtet.« »Davon weiß ich ja gar nichts.«
»Davon kannst du auch nichts wissen, denn du hattest wieder einmal einen gesegneten Schlaf, als ich aus den Decken kroch.«
Ojo blickte Tscham an. Er wollte aus dessen Gesicht lesen, ob der Junge ebenfalls einen so festen Schlaf hatte. Aber zu seiner Enttäuschung nickte Tscham dem Pfeifer lächelnd zu. »Stimmt, du warst lange weg, mein Freund.«
»Stimmt«, brummte Ojo. »Natürlich stimmt es. Oder meint ihr, ich habe es nicht gemerkt? — Ich wollte es nur nicht zeigen, um — um — na ja, um den. Späher nicht zu verscheuchen!«
Sie lachten und folgten den anderen, die schon marschierten, nach Norden zu, immer nach Norden.
49
Am Abend jener Nacht erreichte Maradsche die Königsstadt. Er ging nicht in sein Haus und
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