Die Schatzhöhle
die Nachricht nach hinten.
»Sichert nach den Seiten«, rief Michel Ojo und Tscham zu und galoppierte nach vorn. Ojo und der Radscha nahmen die Büchsen hoch, um jederzeit schußbereit zu sein.
»Wenn sie von den Bergen kommen«, sagte der große Spanier, »sitzen wir in der Falle! Dann können wir unser letztes Gebet beten!«
Michel hatte Krieger vor Augen. Um Einzelheiten unterscheiden zu können, griff er zum Fernrohr. Die Eingeborenen waren noch tausend Meter entfernt.
Michel sah, daß sie in geschlossener Schlachtordnung wie eine griechische Phalanx vorrückten. Es war ein Bild wie aus dem Geschichtsbuch. So mochten die Punier mit Hannibal marschiert sein.
Der Pfeifer vergaß die Gefahr und starrte fasziniert auf das Schauspiel. Die vorderen Reihen
trugen ovale Schilde, die gleichmäßig mit weißem Fell besetzt waren. In der Hüfte hatten sie die
Lanzen eingelegt.
Es waren mindestens dreitausend Mann.
Entweder — oder, dachte der Pfeifer. Er steckte das Fernrohr weg, umklammerte seine Büchse fester und ritt in voller Karriere auf die Mitte der Phalanx zu.
Tausende von Augenpaaren sahen ihn erwartungsvoll an. Immer wieder streiften ihre Blicke das Pferd, auf dem der Mann saß. Es war größer als ein Zebra. Michel hob die Hand und sagte auf deutsch:
»Na, ihr ollen Krieger, ihr werdet euch einen Schnupfen holen, wenn ihr so nackt bei diesem Wetter herumlauft!«
Er hätte auch etwas anders sagen können; denn es war nicht anzunehmen, daß ihn jemand verstand. Aber Reden baut Brücken. Es ist nicht so bedrohlich wie das Schweigen.
Die Wadschagga schienen die Worte als Begrüßung aufzufassen, was Michel nur recht sein konnte. Ihre vorderste Reihe teilte sich jetzt in der Mitte, und der einzige bekleidete Mann, den es in diesem Heerhaufen gab, trat durch die Lücke nach vorn.
»Aha, der General!« sagte Michel. »Bist ein vernünftiger Kerl, Alter, daß du dir etwas angezogen hast.«
Aradman nickte und sagte etwas in seiner Sprache. Michel horchte auf den Klang. Er vermeinte sogar, etwas zu verstehen. Es hörte sich jedenfalls auch nicht viel anders an, als wenn seine Neger sprachen.
Er kramte einige Brocken Kisuaheli hervor, die er mittlerweile gelernt hatte. »Wir kommen weit vom Meer«, sagte er langsam.
Jetzt spitzte Aradman die Ohren. »Kommen« und »Meer« hatte er verstanden. »Wir Freund. — Wollen nicht Krieg. — Immer nur Friede.« Aradman klatschte in die Hände und fragte etwas.
»Ich verstehe nicht. Nur sprechen. Aber ich habe Dolmetscher. Ich bringe Dolmetscher.« Wieder klatschte der König Beifall. Michel nickte, wandte sein Pferd und ritt zurück. Das eigentliche Kunststück begann erst, als er Ugawambi klarzumachen versuchte, daß er mit ihm nach vorn reiten müsse. Er schlotterte vor Angst und Feigheit und war über diese Zumutung empört.
»Los« , sagte Michel mit unerbittlicher Miene. Er ritt schnell hinter den Langen und versetzte dessen Pferd einen kräftigen Schlag, daß es nach vorn ausbrach. Lachend sprengte der Pfeifer hinterher.
Ugawambi brachte angesichts der drohenden Krieger kein Wort heraus. Erst als ihn der Häuptling ansprach, erhellte sich seine Miene.
»Sage dem Mann mit dem weißen Antlitz, daß ich der König dieses Reiches bin!«
Der Lange verstand. Es klang wirklich fast wie seine Muttersprache. Einige Abarten gab es natürlich.
Michel hob die Hand zum Gruß und neigte leicht den Kopf. Dann wandte er sich an Ugawambi: »Entbiete dem König meinen Gruß und bestelle ihm, daß wir in sein Reich gekommen sind, um den Berg des ewigen Schnees zu besteigen.«
Ugawambi tat so und erwartete heftige Abwehr. Aber statt dessen verzog sich Aradmans Gesicht zu einem Lächeln. Er nickte und sprach eine Frage aus :
»Sucht der Mann mit dem weißen Gesicht etwas Bestimmtes dort?«Michel stutzte. Wußte dieser
Negerfürst etwa um das Geheimnis des Lai-Fai-Pe?
»Ja«, antwortete er.
»Steine und runde weiße Kugeln?« fragte Aradman.
»Ja«, entfuhr es Michel. Er war vollkommen verblüfft.
»So heiße ich dich willkommen, heiliger Priester«, meinte Aradman mit feierlicher Stimme. »Mein Volk hat dich erwartet, seit Jahrhunderten schon. Ich wagte nie zu hoffen, daß ich der Glückliche sein werde, der dem heiligen Priester eines Tages Gastfreundschaft gewähren darf.« »Aber ich bin kein Priester«, ließ Michel sagen.
»Die Sage geht, daß du dich nicht zu erkennen geben würdest. Ich weiß, daß wir dich nicht als Priester erkennen dürfen. So achten wir deinen
Weitere Kostenlose Bücher