Die Schatzhöhle
sein Fernrohr herauszuziehen.
Die Dunstschleier waren für Augenblicke wie durch Zauberhand zerrissen und gaben den Blick auf das Gebirge frei. Die Sonne strahlte, sie brachte etwas Weißes zum Gleißen.
»Das ist der Berg des ewigen Schnees«, sagte Michel. »Wir haben ihn gefunden. Er existiert wirklich und ist kein Märchen.« Fasziniert schaute er durch das Glas und reichte es dann Ojo.
Von diesem erhielt es Tscham, der es kaum erwarten konnte, das Ziel seiner Wünsche wenigstens schon in der Ferne zu sehen.
Aber das Vergnügen, das jeder Alpenwanderer kennt, hielt nicht lange an. Bald war wieder alles grau in grau. Und der Regen floß in Strömen.
»Der Berg der bösen Geister«, flüsterte Unogi mit scheuer Ehrfurcht seiner Frau ins Ohr. »Wir
haben ihn mit eigenen Augen gesehen.«
Zapa war nicht so andächtig gestimmt.
»Er muß sehr, sehr hoch sein«, meinte sie sachlich. »Ob die »Pfeifende Donnerbüchse« wohl
hinaufklettern wird?«
Unogi sah sie erschrocken an.
»Was für Gedanken du hast, Zapa ! Wie könnte er das wagen! Die Geister würden ihn
zerschmettern.«
Zapa dachte praktisch.
»Ich kann mir nicht denken, was er hier will, wenn nicht hinaufsteigen.«
»Es wäre eine Freveltat ohnegleichen! Die Rache der Geister könnte sich auch auf uns erstrecken ! Wir würden alle verderben!« —
»Hm«, sagte Ojo zu Michel, »da haben wir ja eine ganz hübsche Kletterpartie vor uns.« »Ich glaube auch«, antwortete Michel.
»Hinunter wird es noch schwieriger«, schaltete sich Tscham ein. »Dann müssen wir auch noch die Schätze tragen.«
»Dieser Mühe will ich mich gern unterziehen«, lachte Ojo. Und sein Lachen klang so schallend, daß die Neger erschrocken zusammenfuhren. Ihnen war der Heiterkeitsausbruch im Angesicht des erhabenen Geistersitzes unverständlich. —
»Ich glaube nicht, daß sie den Berg achten werden«, fuhr Zapa fort. »Sie lachten, als gelte es, über eine blumige Wiese zu tollen. Sie sind viel mächtiger als der Berg.«
»Zapa!« entfuhr es Unogi, und Bestürzung lag in seiner Stimme. »Du darfst nicht so sprechen!« »Doch«, sagte Zapa eigensinnig. »Ihr seht, wenn es um die bösen Geister geht, nur das Schlechte in Menschen, die sich nichts aus ihnen machen. Aber ich bin nicht so. Die »Pfeifende Donnerbüchse« hat unser ganzes Volk aus den Händen der Sklavenjäger befreit. Er ist ein tapferer und guter Mann. Und seine Freunde sind auch tapfer und gut. Wie sie die schrecklichen Bestien im Fluß besiegt haben ! Sagtet ihr nicht, die Krokodile seien die Torhüter des bösen Geistes? Wenn sie die Torhüter überwanden, werden sie auch den bösen Geist besiegen. Das glaubt Zapa. Zapa hat keine Furcht.«
Sie hatte so laut gesprochen, daß auch andere ihre Worte vernommen hatten. Viele mißbilligende Blicke streiften die junge Frau, die noch ein halbes Kind war und doch Worte sagte, die nicht einmal der Häuptling auszusprechen gewagt hätte.
Der Zug hatte jetzt die Niederung verlassen und drang in das Hochland vor, das terrassenförmig anstieg.
Hier wurde die Gegend wunderbar. Der steppenartige Charakter ging in weiches Grüngelände über. In einer Schlucht, in der ein frischer, klarer Bach rieselte, machten sie am Abend halt und schlugen das Lager auf.
Die Höhen ringsum waren bewachsen und bewaldet und boten in der untergehenden Sonne — der Regen hatte wieder einmal für ein paar Minuten aufgehört — ein Bild von grandioser Schönheit.
Ein Feuer wurde entfacht. Aber es gab nicht viel zu braten, denn die Büffelkühe waren fast aufgezehrt. Aber da die Gegend fruchtbar war, litten die Eingeborenen keine Not. Es war ihnen ein leichtes, Schnecken in Massen zu finden. Auch der Bach gab Nahrung her. Forellenähnliche Fische, die sich allerdings nur schwer greifen ließen, lebten in seinem Wasser. —
Michel, Ojo und Tscham saßen stumm neben ihrem Feuer und starrten in die Flammen. »Ich weiß nicht«, nahm Ojo das Wort und fuhr sich mit dem Zeigefinger zwischen Hals und Kragen, »ich habe so ein komisches Gefühl — so, als ob wir nicht mehr allein wären!« »Du könntest mit deinen Gefühlen Geld verdienen, amigo«, spöttelte Michel. »Sie sind gut und echt. Du fühlst schon das Richtige.« »Demonio, wie meint Ihr das, Señor Doktor?«
»Wie ich es sage. Das Gefühl, daß wir beobachtet werden, habe ich schon seit heute mittag.« »Weshalb habt Ihr nichts gesagt?«
»Das würde auch nichts an der Tatsache ändern. Wir können doch unmöglich die ganzen
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