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Die Schatzhöhle

Die Schatzhöhle

Titel: Die Schatzhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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seinem Eigentum vergab. Für die Bekleidung der alten Leute sorgte ein königliches Zeughaus. Jährlich erhielten die Alten ein Baumwolltuch, alle halben Jahre eine Bastmatte und alle zwei Jahre ein Fell.
    Und da alle aus den gleichen Beständen gekleidet wurden und auch das Hemd oder das Fell nach wie vor dem König gehörte, kam gar nicht erst der Gedanke auf, daß man sich wegen eines Stoffetzens streiten oder schlagen könnte.
    Zu diesem König eilte nun flinken Fußes Maradsche, der Läufer. Er brauchte nicht zu warten. Der König ließ niemanden warten, der ihn sehen wollte. Darin unterschied er sich von den Staatsführern der heutigen Zeit.
    Er begrüßte seinen Läufer freundlich, schlug ihm mit beiden Händen auf die Schultern, und Maradsche schlug zurück. Nach dieser für den König etwas schmerzhaftenBegrüßung — er mußte sie wohl ein halbes hundert Mal am Tage über sich ergehen lassen — ließen sie sich auf gelbe, mit Stroh ausgestopfte Bastkissen nieder.
    »Dein Gesicht ist ernst, mein Freund«, sagte der König, der übrigens ebenfalls bekleidet war; denn er zählte fast sechzig Jahre.
    »Es müßte eigentlich voller Tränen sein, Aradman«, erwiderte Maradsche. »Ich bringe schlimme
Kunde.«
»Ah! Werden die Nachbarn wieder einmal rebellisch?«
Maradsche winkte ab.
    »Deshalb würde ich nicht weinen. Ich glaube sogar, die Nachbarn sind genauso bestürzt wie ich. Heute morgen langte der Stafettenläufer aus dem Süden bei mir an und berichtete mir, daß über den Fluß der Krokodile ein Heerhaufen mit Weibern und Kindern gegen unser Land zieht.« »Über den Fluß der Krokodile sind sie gekommen?« »Ja.«
    »Das glaube ich nicht. Niemand kann ihn überschreiten, weder von hier aus noch von der anderen Seite. Die Krokodile sind gute Wächter.«
    »Ich glaubte es auch nicht und fragte, ob sie ein Floß gebaut hätten.« »Und?«
    »Sie haben kein Floß gebaut. Sie sind durchs Wasser gegangen mit Weibern und Kindern. Einer wurde zerrissen. Aber dann sollen drei Gestalten hinzugekommen sein, die auf gezähmten Zebras saßen. Sie hielten ein Rohr vor sich hin, aus dem es blitzte und donnerte, bis die Alligatoren tot waren.«
    Aradman sah seinen Läufer mit verzogenem Mund an. Dann fragte er:
»Wer will das gesehen haben?«
»Ein Krieger der Kirua.«
»Die Kirua lügen gern«, sagte der König. »Jemand, der Blitz und Donner machen kann, muß ein
Geist sein. Aber Geister kann man nicht sehen.«
Maradsche nickte.
    »Ich habe mir das auch gesagt. Aber ich glaube es dennoch. Mein Urgroßvater hat mir vor langen Jahren einmal eine Geschichte von einem Wanderer erzählt, der auch vom Rand der Welt kam, um auf den Kilima zu steigen. Er blieb einige Tage dort oben und ging dann wieder. Niemand hat je wieder etwas von ihm gehört.«
    Aradmans Gesicht zeigte einen grüblerischen Ausdruck. Er schien angestrengt über etwas nachzudenken. Dann meinte er:
    »Du hast nicht unrecht. Ich habe von diesem Fremdling auch gehört. Aber trotzdem kann ich es nicht glauben. Die Kirua wollen uns vielleicht Angst einjagen.«
    »Erlaubst du, daß ich meinen Posten für ein paar Tage verlasse?« »Wozu?«
    »Ich will zum Fluß der Krokodile gehen und mich selbst davon überzeugen, ob uns der Kirua ein
Märchen aufgebunden hat.«
»Du kannst gehen.«
»Und was ist, wenn er die Wahrheit sprach?«
Aradman erhob sich und lief unschlüssig auf und ab.
»Was würdest du an meiner Stelle tun?«
    »Ihnen meine Krieger entgegenschicken, um sie so schnell wie möglich zu vernichten.« Der König sann lange nach. Wie in tiefen Gedanken schüttelte er sein Haupt. Dann meinte er:»Geh erst einmal hin und sieh dir alles genau an. Komm so schnell wie möglich zurück und berichte. Erst dann kann ich entscheiden.«
    Maradsche ging zunächst in sein Haus und ließ sich von seiner jungen, schönen Frau einen Labtrunk reichen. Der Weg hatte ihn durstig gemacht. Und nun lag noch eine größere Anstrengung vor ihm. Er nahm Bogen und Pfeile auf, prüfte die Sehne, warf sich eine Bananenstaude über und trabte los.

    47

    »Da —, da hinten! Seht Ihr, Señor Doktor?« schrie Ojo und durchbrach mit diesem Ruf die lethargische Stille, die über dem Auswandererzug lastete.
    Obwohl die Bantu seine Sprache nicht verstanden, elektrisierte sie der Ruf des großen Mannes mit dem dichten, schwarzen Bart.
    Sie richteten ihre Blicke dorthin, wohin die ausgestreckte Hand Ojos deutete.
    Michel hatte die Situation sofort erfaßt und griff in die Satteltasche, um

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