Die Scheune (German Edition)
zu schnell. Als würde er nach einem Plan arbeiten und konnte die Ruhepausen dazwischen nicht abschätzen.
Dr. Hendell versuchte, die Kanten der Geschichte herauszufinden, aber er wurde nicht fündig. Selbst Dane folgte seinem eigenen Leben mit ungebrochener Aufmerksamkeit. Sein ständig bedachtes Nicken signalisierte dem Arzt, dass er die Sachlage durchaus verstand. Ja, das tat er. Und wie er alles verstand!
Wie sehr Dane die Situation inzwischen belustigte, konnte selbst der Psychiater nicht einschätzen.
Bravo!, lobte ihn das Loch.
Sei still, zischte Dane.
Das Loch war zufrieden. Er wird eins mit mir, dachte es.
*
Sarah sah den Fremden durch das Küchenfenster näher kommen. Durch die Art seines Ganges und seine Größe schloss sie auf einen Mann, aber es war nicht Dane. Dafür war der Mann zu groß. Sie lief geschwind nach oben, um ihre verschmutzte Kleidung zu wechseln. Sie hörte ein Klopfen. Es war energisch. Warum benutzte dieser Fremde nicht die Klingel? Es klopfte ein zweites Mal – lauter und dringlicher, so dass sie nach unten rief: „Ich komme, Moment!“ Sie zerrte sich hastig einen Pullover über den Kopf, als es ein drittes Mal klopfte. Sie rannte die Treppe hinunter und öffnete. Sie sah sich nicht vor, sie war unbekümmert und wieder einmal zu naiv. Vor ihr stand Phil Cammons, ihr erster Mann, von dem sie seit mehr als drei Jahren geschieden war. Seinen Namen hatte sie nach der Scheidung abgegeben und geglaubt, es mit ihren Erinnerungen ebenso getan zu haben. Sie irrte sich, wie sie jetzt feststellen musste. Die Erinnerungen holten sie in diesem Moment auf eine ganz widerliche Art und Weise ein.
Mehr als ein überraschtes „Phil!“ kam ihr nicht über die Lippen. Sie wusste noch nicht einmal, was sie fühlen sollte, als sie sein Gesicht sah. Wie groß war er doch gegen Dane. Sie hatte es nie gemocht, zu ihm aufzuschauen. Er hatte es immer genossen. Seine Größe war es dann auch, die sie überrumpelte, als er einen unaufgeforderten Schritt in ihre Küche machte. Jetzt erst begann ihr Herz schneller zu schlagen und ihre Hände zu zittern. Der Schreck ließ sie einen Schritt nach hinten ausweichen. Cammons stank widerlich – wie immer. Er schien sich nicht verändert zu haben. Er fühlte ihre Angst, wie immer, und genoss es nach wie vor mit großer Erregung.
Sarah hatte an Schönheit sehr gewonnen. Ihre Haare waren gepflegt und keck geschnitten, so, wie er es schon lange nicht mehr in Erinnerung hatte. Sie war schlank und hübsch gekleidet. Er taxierte ihre Erscheinung mit wohliger Lust und dem Drang, sie jetzt anfassen zu wollen. Sie drückte sich verängstigt an den Küchenschrank. Was hatte er nur für einen bösen Blick bekommen. Sein Gesicht war von Drogen und Alkohol gezeichnet.
„Hallo, mein Schatz!“, sagte er lächelnd, als er langsam die Türe hinter sich schloss.
Sie dachte an Dane, der sich gerade bei Dr. Hendell aufhielt.
„Wie hast du hierher gefunden?“, fragte sie. Sein plötzliches Auftauchen hier auf dieser Farm war ihr unerklärlich. Kaltschnäuzig antwortete er: „Dein Mann hat es mir gesagt.“
„Dane?“
„Ach ... Dane heißt er also.“
„Nein, nie, ich glaub' dir kein Wort!“
Phil Cammons genoss die Situation wieder einmal. Er zeigte mit seiner Hand zum Küchentisch. „Komm, setz dich, ich muss mit dir reden.“
Sie warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach vier. In zwei Stunden musste sie Dane abholen. Dann fiel ihr Blick auf das Telefon, das so nah und doch so unerreichbar für sie war. Ihre Vernunft sagte ihr, seiner Bitte erst einmal nachzukommen, und sie setzte sich. Sein Grinsen war widerlich, so wie alles an ihm.
„Wie geht es dir, Sarah?“, fragte er. In seiner Stimme klang Ironie mit.
„Willst du das wirklich wissen?“
"Ich habe dich immer geliebt, das weißt du. Du bist gegangen, nicht ich.“
Sarah glaubte, etwas Trauriges in seinem Blick zu sehen, als er redete, aber sie war auch sehr wohl mit seiner Verlogenheit vertraut. Sie sagte: „Es hatte keinen Zweck mehr mit uns, Phil. Ich konnte das alles nicht mehr ertragen ...“
„Ich habe mich geändert“, unterbrach er sie.
„Das wäre schön für dich.“
„Ich habe wieder eine Arbeit, eine schöne Wohnung, viele neue, gute Freunde und eben alles anders gemacht. Du würdest staunen.“
Schon alleine der Ton, in dem er sprach, war verlogen. Er hatte sich nicht geändert. Vielleicht hatten sich seine Lügen geändert.
Sarah war überrascht, wie
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