Die Scheune (German Edition)
rannte Dane die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer, um sich anzukleiden.
Es blieb nicht nur sein Verstand auf der Strecke, auch sein Sinn für Ordnung schien sich von ihm abzuspalten. Unachtsam schlüpfte er in eine alte, verschlissene Arbeitsjeans, zwei verschiedene Socken, Stiefel und einen Pullover, von dem er nicht wusste, ob er Sarahs oder seiner war. Die rosa Farbe und die zartlila Applikationen irritierten ihn keineswegs. Die wachsende Krankheit machte ihn zu einer jämmerlichen Kreatur.
Als er das Schlafzimmer wieder verließ, sah er kurz in das Gästezimmer. Es war leer, Linda war nicht mehr da. Wütend rannte er die Treppe hinunter zu mir.
Ich bemühte mich gerade, die Reste der zerbrochenen Tasse aufzukehren, als er mich brutal an den Schultern packte und herumriss. Nun erkannte ich den Fehler, den ich heute Morgen begangen hatte, als ich wieder zu dieser Farm zurückgekehrt war – zu meinem Freund, der kein Freund mehr war. Die Augen eines Wahnsinnigen starrten mich an. Ich nahm seine lächerliche Kleidung wahr.
„Warum ist Linda nicht oben?! Wo ist sie?“, schrie er mich an.
Meine Übelkeit wurde stärker. „Ich habe sie weggeschickt.“
„Wann?“
„Gestern Abend!“
„Warum? Warum hast du das getan?“
Ich versuchte, ihn zu beruhigen. Wie lange war es her, als wir zusammen gelacht und ein gutes Glas Gin getrunken hatten? War es nicht an Danes Hochzeit gewesen? Gott, wie groß war der Fehler, zu dieser Farm zurückzukehren!
„Weil sie ein Baby bekommt!“, schrie ich. „Sie ist im sechsten Monat schwanger! Die Aufregung hier ist zu viel für sie! Kannst du das verstehen? Du hast mich gestern fast erschlagen!“
Noch ehe ich reagieren konnte, traf mich ein harter Schlag vor die rechte Wange, was mich überrascht zu Boden riss. Ich schüttelte benommen den Kopf und fühlte das Blut, das meine Wange hinunterlief. Ich dachte kurz an Vancouver, an die Frage: Hat Ihr Freund denn niemals Gewalt anderen gegenüber gezeigt? Dann spürte ich einen Tritt an meine rechte Schläfe und kippte bewusstlos nach hinten.
Dane hob sein Gesicht zur Decke und schrie: „Ich will es nicht!! Aber was soll ich tun?!“
Er riss zornig die Telefonschnur aus der Wand und suchte hastig nach meinem Wagenschlüssel.
Ich wurde von zwei Sanitätern wieder zu Bewusstsein geholt. Sie verarzteten eine kleine Platzwunde an meiner rechten Wange und die Prellung kurz oberhalb meiner rechten Schläfe. „Glück gehabt“, versicherten sie mir. Ich stellte fest, dass der Krankenwagen zu spät gekommen war. Ein Blick aus dem Fenster reichte, um festzustellen, dass Dane samt meines Chevys wieder verschwunden war. Blitzartig kam mir Sarah in den Sinn. Ich griff nach dem Telefon und hatte es mit der Einsteckbuchse in der Hand. Die Sanitäter reagierten sofort und machten über ihre Funkanlage eine Meldung an das Krankenhaus und die Polizei. Sie riefen ferner ein Taxi, das mich zu meiner Frau in die Stadt bringen sollte.
Der Krankenwagen der Psychiatrie machte sich mit Sirenengeheul auf den Weg in das Krankenhaus, in dem Sarah lag.
Lebe!, jubelte das Loch. Lebe!
Dane Gelton fühlte sich völlig normal und kampfbereit. Das bestätigte ihm immer wieder sein Gefühl. Für ihn existierte keine Geisteskrankheit; es gab nur Menschen, die ihm das einredeten. Das verlieh ihm die Kraft und die Sicherheit, richtig zu handeln.
Ein Schutzengel hielt seine Hand über ihn, als er die Stadt mit hoher Geschwindigkeit durchquerte. Er ignorierte den Besucherparkplatz des Krankenhauses und parkte den Chevy direkt vor dem Haupteingang. Sein Haar war zerzaust. Er betrat das Krankenhaus. Die Menschen taten sein Erscheinungsbild mit einem Lächeln ab oder tuschelten leise. Es war ihm egal. Der Aufzug brachte ihn in den dritten Stock zur gynäkologischen Abteilung. Dane riss sich zusammen und fuhr sich mit den Händen durchs Haar, was aber nichts bewirkte.
Er hatte verdammtes Glück, es war niemand auf dem Flur zu sehen.
Mein Anruf war wohl gemeldet, aber durch den Schichtwechsel der Schwestern noch nicht auf der Station angekommen.
Er fand ohne großen Aufhebens das Zimmer seiner Frau. Ein Türschild deklarierte ja auch nur zu deutlich ihren Namen, Mrs. Gelton. Er öffnete langsam die Türe.
*
Linda war heilfroh, als ich ihr Zimmer im Ramada Inn betrat. Sie erschrak vor meiner Verletzung und nahm mich in den Arm. Erst da spürte ich das Ausmaß ihrer Angst und fühlte mich schäbig.
„Linda, ich liebe dich“, sagte
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