Die Scheune (German Edition)
konnte man in zwei Richtungen jagen, dann aber auch meist in die grundverkehrte. Das war eine Regel, nach der er jahrzehntelang gelebt hatte und die ich nun durchschaute. Mir wurde klar, dass Dane schon immer anders gedacht hatte als andere.
Ich begann unruhig auf dem Stuhl herumzurutschen. Weit entfernt näherte sich ein Auto. Endlich! Ich schluckte und sah ermutigt ins Wohnzimmer zu der Waffe. Dane vernahm ebenfalls das Geräusch des herannahenden Wagens und ging zum Fenster. Er zog die Gardinen zur Seite und sah einen Polizeiwagen kommen. Sein Griff zur Waffe war schnell und fest. Er zog sie flink aus der Hose und zielte auf mich. Ich sprang erschrocken auf, als er seinen Lauf auf meinen Kopf richtete. Sein Atem beschleunigte sich. Er fühlte sich betrogen. „Du Schwein! Es ist nicht Linda! Es sind die Bullen!“
Ich holte tief Luft.
„Halt's Maul, hörst du? Ein Ton, und ich puste dir den Schädel weg!“
Diese Drohung gab mir kaum die Möglichkeit zu antworten.
Dane positionierte sich hinter die Eingangstür – immer meinen Kopf im Visier. Ich wagte es kaum zu atmen und stand bewegungslos vor meiner kalten Tasse Kaffee. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf die Dinge zu warten, die dann geschahen.
Meine Waffe lag unerreichbar weit, die Leitung war tot. Die einzige Verbindung zur Außenwelt befand sich in diesem verdammten Polizeiwagen, der sich unverrichteter Dinge der Farm näherte. Die Chance, an das Funkgerät zu kommen, war gleich null. Dane hatte seine Zielsicherheit schon im Krankenhaus unter Beweis gestellt. Wieso konnte er nur so verdammt gut mit der Waffe umgehen, sie gebrauchen, als wäre sie schon immer ein lebenswichtiger Bestandteil in seinem Leben?
Ich dachte plötzlich an Linda und das Baby und unterdrückte mühsam Tränen der Angst.
Sergeant Bucks öffnete die Tür und flötete ein fröhliches „Guten Morgen“ in den Raum hinein, als ihn ein Schuss in den Hals zu Boden jagte. Mitten in die Hauptschlagader! Er ging wie ein nasser Sack zu Boden und blutete und blutete. Ehe ich einer Bewegung fähig war, starrte ich erneut in die Mündung seiner Waffe. Danes Flinkheit war nach wie vor unübertrefflich.
„DANE!!“, entwich es mir ungewollt.
„Ja ... Ich?“
„Wie kannst du das tun? Er hat dir nichts getan!“
„Er war auf meiner Farm. Das war ein Fehler.“
„Aber ich bin auch auf deiner Farm! Willst du mich jetzt auch umbringen?“ Meine Hände öffneten sich zu beiden Seiten, als empfange ich einen Segen. „Dann tu es jetzt, du Wahnsinniger! Du bist ja krank!“ Ich wusste nicht, welcher Verrückter aus mir sprach, aber dieser bemächtigte sich meiner Stimme und meiner Sprache. Ich erntete nur ein hässliches Lachen.
„Ja, vielleicht. Vielleicht hast du Recht.“ Danes Stimme klang vulgär, und zu meinem größten Erstaunen fand sie plötzlich den Ton einer flehenden, ängstlichen Stimme: „Aber ich will dir nichts tun. Verstehst du das? Jim! Ich WILL nicht!“
„Du bist ein Psychopath“, entfuhr es mir wieder ungewollt.
Dane straffte seine Haltung und wurde wieder ernst. „Ja, Jim, das stimmt. Ich habe euch alle getäuscht. Ich bin nicht der Dane, den Ihr kennt. Ich bin besser, nahezu brillant! Du weißt ja gar nicht, wie ich wirklich bin, was ich fühle, was ich empfinde. Ich habe es genossen, euch alle an der Nase herumzuführen. Und niemand hat auch nur das Geringste gemerkt!“
Ich glaubte nicht, was ich da hörte und sah. Es war nicht nur die veränderte Stimme, es war auch das veränderte Gesicht – beinahe Will Geltons Gesicht. Auch wenn ich es nur einmal kurz gesehen hatte, so hatte Dane doch etwas, was ihm enorm ähnelte. War es die Stimme, die Sarah in der Scheune gehört hatte?
„Was gemerkt? Was sollen wir nicht gemerkt haben?“, fragte ich nach.
„Alles. Die Inszenierung mit dem falschen Namen. Sogar die Behörden haben es mir abgenommen. Lächerlich! Es war so einfach, einen Ausweis zu fälschen. Ihr wusstet auch nicht, dass ich die ganze Zeit in engem Kontakt zu meinem Vater stand!“
„Dein Vater?!“ Ich glaubte nicht, was ich hörte. Jetzt bekam ich endlich die Bestätigung für meine verdrängte Vermutung. „Dein Vater war doch angeblich tot!“
„Ja, das dachte ich auch. Bis zu dem Moment, als er auf mich schoss. Da war mir klar, dass er seinen Tod nur inszeniert hatte. Wir haben dann ein tolles Spiel gespielt. Wir haben Spaß gehabt. Ihr habt dann alles mit eurem Helfersyndrom kaputtgemacht!“
„Seit er auf dich schoss?“,
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