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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sondern stehen als gleichrangig vor ihm. Da aber meine Freunde und ich uns weder respektlos noch kränkend verhalten möchten, ist es uns eine Ehre, uns vor Deiner Majestät zu verbeugen, und das ist etwas, was wir vor keinem anderen tun würden.«
    Er neigte sich leicht aus der Hüfte vor und nickte kurz. Timonides und Primo folgten seinem Beispiel, während Nestor lediglich in sich hineinkicherte. Als sie sich wieder aufrichteten, hing eine tödliche Stille über dem Saal.
    Der Herrscher über Zehntausend Jahre verharrte starr und steif auf seinem Thron, sein Gesicht blieb ausdruckslos, nichts in den zahlreichen Schichten von Seide und Satin und Stickerei, die ihn umhüllten, kräuselte sich. Niemand rührte sich. Kein Atemhauch war zu hören.
    Bis Kaiser Ming endlich zumindest blinzelte. Und mit einer Stimme, die seinem jugendlichen Alter entsprach, aber doch resolut klang, sagte er: »Du bringst Handelswaren nach Luoyang. Bist du ein Kaufmann?«
    Sebastianus atmete auf. Der Kaiser hatte gesprochen! Und obwohl seine Frage barsch und reichlich unhöflich gestellt wurde, begriff Sebastianus, worauf er hinauswollte. Edler Fischreiher hatte ihn kurz mit der gesellschaftlichen Hierarchie der Chinesen vertraut gemacht, derzufolge die kaiserliche Familie ganz oben rangierte, gefolgt von den Gelehrten,
Mandarine
genannt, und den Bauern, die hoch angesehen waren, da nichts als ehrenhafter galt, als sich als Bauer, der sein Land bearbeitete, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Kaufleute waren auf der sozialen Leiter ganz unten angesiedelt; sie wurden verachtet, weil es nach Ansicht der Chinesen unredlich war, einem anderen Geld abzuknöpfen. Dementsprechend war es für einen Kaufmann unziemlich zu wagen, sich dem Herrscher über Zehntausend Jahre zu nähern.
    »Ich bin ein Abgesandter, Majestät, der persönliche Bevollmächtigte meines Souveräns. Meine Karawane führt Geschenke für das chinesische Volk mit sich. Und ich überbringe Grüße meines Kaisers, der dem geschätzten Herrscher dieses großen Landes die Hand der Freundschaft reichen möchte. Wäre noch zu erwähnen, Majestät, dass mir selbst viel daran lag hierherzukommen, um die Weisheit deiner Philosophen und gelehrten Männer kennenzulernen. Ich biete dir nicht nur den Austausch von kulturellen Gütern an, sondern auch den von Anschauungen und Erkenntnissen.«
    Der Kaiser lächelte und schien sich etwas zu entspannen. »Ein willkommener und ehrenwerter Austausch, Sebastianus Gallus. Sag uns, wo sind deine Ahnen begraben?«
    »Weit weg von hier, in meinem Heimatland.«
    »Wer sind deine Götter?«
    »Mein Glaube stützt sich auf die Gestirne, Majestät. Ich hoffe, der Herrscher über Zehntausend Jahre gewährt mir die Gunst, mit seinen geschätzten Astrologen zusammenzutreffen.«
    »Unser Großer Weiser, dessen Namen auszusprechen tabu ist, lehrte uns, dass Wissen das höchste Gut ist. Es wird uns eine Ehre sein, dir deine Wünsche zu erfüllen, Sebastianus Gallus. Im Gegenzug wirst du uns die Ehre erweisen, uns über dein Land zu unterrichten, das du das Römische Reich nennst.«
    Die Audienz war zu Ende, die Gäste wurden in einen anderen, von dunkelroten Säulen umstandenen großen Raum geleitet, in dem auf niedrigen Tischen Platten und Becher bereitgestellt waren. Geduldig warteten Sebastianus und seine Begleiter bis zum Abschluss des strengen höfischen Protokolls, bis also das Kaiserpaar, dann die Kaiserliche Witwe und dann die Höflinge Platz genommen hatten.
    Während hinter einem Wandschirm verborgen Musikanten mit Zithern und Flöten, Trommeln und Glockenspielen, Gongs und Holzklöppeln wundersame exotische Melodien spielten, die die Männer aus Rom an sagenumwobene Länder denken ließen, und während junge Mädchen in Gewändern mit Ärmeln, die wie Vögel flatterten, sich anmutig im Tanz drehten, ließen sich der Kaiser und seine Gäste gebratene Eulen und Bambussprossen, Lotuswurzeln und Pantherbrust schmecken. Jeder neue Gang, der aufgetragen wurde und noch ausgefallener war als der vorherige, wurde von Darbietungen von Akrobaten und Gauklern begleitet, und der Reiswein floss in Strömen.
    Während der Demonstration einer Kampfsportart, die sich
Kung Fu
nannte, wurde Edler Fischreiher an den Tisch von Kaiser Ming gerufen, wo er nach drei Kotaus eine Botschaft empfing, die er eilends Sebastianus übermittelte. »Dem Herrscher über Zehntausend Jahre wird es eine Ehre sein, sich die Landkarten eures Reichs anzusehen, verehrter Gast. Karten, in

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