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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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werde mich hüten, leichtfertig damit umzugehen.«
    Er sprang auf. »Und jetzt werde ich dir ein ehrliches Horoskop erstellen, Meister!«, rief er und eilte in sein Zelt.
    Ulrika suchte nach Worten, um Sebastianus zu trösten. Aber alles, was sie vermochte, war, die Hand auf seinen Arm zu legen und ihm dadurch zu verstehen zu geben, dass sie da war und dass sie ihn liebte.
    Denn auf dem Gesicht von Sebastianus spiegelte sich tiefste Betroffenheit wider. Er war in seinem Glauben bis auf die Grundfesten erschüttert worden.

37
    Sie küssten sich im Schatten des Ishtar-Tors.
    Es war kein Abschiedskuss; sie würden nur für kurze Zeit getrennt sein. Sebastianus wollte den obersten Astrologen in Babylon aufsuchen; Ulrika musste sich schleunigst zu Daniels Burg begeben.
    Morgen würden sie gen Rom aufbrechen.
    Zwei Wochen waren seit Timonides’ aufwühlendem Geständnis vergangen, und seitdem trachtete Sebastianus geradezu verzweifelt danach, seinen Glauben an den Kosmos wiederzufinden. Um den furchtbaren Schaden zu beheben, den das Geständnis seines Astrologen angerichtet hatte, war er zu jedem Wahrsager, jedem Sterndeuter, jedem Seher der Stadt gegangen. Stets war Ulrika an seiner Seite gewesen, hatte versucht zu helfen, sich erboten, ihn durch die gleiche Meditation zu begleiten, die für Timonides so befreiend gewesen war. Aber Sebastianus war nicht an Antworten interessiert, die in ihm selbst schlummerten. Er suchte nach Antworten im Kosmos.
    »Mir wäre lieber, du würdest erst einmal abwarten, Ulrika«, sagte er jetzt, da sie am Sockel des mächtigen Stadttors standen, durch das einst Könige und Eroberer gezogen waren. »Die Priester Marduks wissen noch nichts von Judahs Grab und dass er nicht zusammen mit den anderen verbrannt wurde. Sobald ihnen dies zu Ohren kommt, werden sie Wachen aussenden. Gedulde dich lieber, bis ich den Chaldäer gesprochen habe.«
    »Mach dir keine Sorgen um mich«, sagte sie. »Primo bringt mich hin. Außerdem wird Timonides bei mir sein. Du kannst noch nicht absehen, wie lange deine Unterredung mit dem Chaldäer dauert, während ich dringend mit Miriam sprechen muss. Nach allem, was ich erfahren habe, ist es ratsam, dass sie Daniels Burg umgehend verlassen, und ich hoffe sehr, dass sie auf mich hört. Morgen um diese Zeit, Liebster, werden wir dieser Stadt längst den Rücken gekehrt haben und auf dem Heimweg sein.«
    Sie hatten es eilig, Babylon zu verlassen. Sebastianus musste mit seiner Karawane unbedingt das Große Grün erreichen, ehe die Winterstürme den Seeverkehr im Mittelmeer lahmlegten. Und Kaiser Nero wollte sicherlich rasch etwas über die Mission hören und all die Schätze betrachten, die Sebastianus aus China mitgebracht hatte.
    Aber etwas Unerwartetes hatte sich bei Daniels Burg ereignet. Es hatte sich herumgesprochen, dass Rabbi Judah dort zur letzten Ruhe gebettet worden sei und von seinem Grab aus weiterhin Wunder bewirke. Wie es dazu hatte kommen können, war Ulrika schleierhaft, aber je weiter sich das Gerücht verbreitete und zusehends mehr Menschen die Ruinen aufsuchten, desto höher wurde die Gefahr, dass die Priester Marduks entdeckten, wie Sebastianus heimlich – und gegen alle priesterlichen Anordnungen – Judahs Leichnam gerettet hatte.
    Ulrika hätte ihm die Schatten unter seinen Augen am liebsten weggeküsst, hätte ihm auch gern seine Qualen und seine Enttäuschung abgenommen, auf dass Frieden in ihm einkehre. Sebastianus’ Glauben an die Sterne war zerstört worden. Wenn Timonides die ganze Zeit über gelogen hatte und es dann zu einer großen Katastrophe gekommen wäre – während die Chinareise doch als Erfolg verbucht werden konnte –, was sagte das dann über die Sterne aus? Sebastianus versicherte Ulrika zwar, dass er keinerlei Probleme habe, aber der gehetzte Ausdruck in seinen Augen sprach Bände, und nachts, in Ulrikas Armen, stöhnte er im Schlaf. Es kam auch vor, dass er zuweilen das gemeinsame Lager verließ, vor das Zelt trat und zum nächtlichen Himmel emporschaute. »Wenn die Sterne keine Botschaften vermitteln, wozu sind sie dann da? Sind Menschen wie Zweige, die auf einem reißenden Fluss dahingetrieben werden, ohne ihren Kurs selbst bestimmen zu können? Und was ist mit dem Sternenstein, der in der Nacht, als mein geliebter Bruder Lucius starb, zur Erde fiel? War das etwa keine Botschaft von ihm, sondern reiner Zufall? Ist denn
alles
eine Lüge?«
    Die Sterne waren seit jeher sein Trost, seine Begleiter, seine Sicherheit

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