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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Himmel.
    Mit Primo war eine Veränderung vor sich gegangen. Er war nicht mehr der, der er noch vor Stunden gewesen war.
    Rachel. Wie sehr sie dieser jungen Mutter ähnelte, der er vor langer Zeit in einem Dorf begegnet war …
    In der Oase gab es mehrere Teiche. Bei Sonnenuntergang hatten Rachel und Ulrika im Schutze einer Trennwand in einem gebadet. Mit dem Rücken zu den Frauen hatte Primo Wache gehalten, hatte leises Schwappen gehört, dezentes Plätschern, sanftes Rieseln, und er hatte sich vorgestellt, wie weiche, frauliche Haut und Rundungen vom Wasser benetzt wurden. Und mit einem Schlag hatte er das Verhalten von Sebastianus über all die Monate hinweg verstanden – er war schlicht und einfach verliebt.
    Primo stapfte über den kalten Sand zu der Stelle, wo Rachel zufolge ihr Ehemann zur letzten Ruhe gebettet worden war. Das Grab war nicht gekennzeichnet. Ulrika hatte Rachel davon überzeugt, dass die sterblichen Überreste hier nicht länger sicher waren, weshalb es sich empfahl, sie der Obhut der religiösen Gemeinde in Rom anzuvertrauen.
    Ein kühler Windhauch fuhr Primo durch das schütter werdende Haar. Er musste an seinen Bericht an Quintus Publius denken, von dem Kaiser Nero durch seine Kuriere Kenntnis erhalten würde, noch ehe Sebastianus und seine Begleiter nach Rom zurückkehrten. Nero würde darauf bestehen, Genaueres über die Frau zu erfahren, die Sebastianus verhext hatte. Und vor allem würde er begierig auf jenen legendären Goldschatz sein, der einst aus dem Tempel in Jerusalem weggeschafft worden war, ehe Babylonier ihn zerstört hatten.
    Cäsar war geldgierig geworden. Wann immer die kleine Gruppe in Oasen und Karawansereien Rast eingelegt hatte, war ihr die zunehmende Labilität und das unvernünftige Verhalten des Kaisers zu Ohren gekommen. Dass er wohlhabenden Männern Hochverrat unterstellte und sie hinrichten ließ, um sich ihrer Ländereien zu bemächtigen.
    Wenn er meinen Bericht liest, so überlegte Primo, wird er annehmen, dass ich ihm unermessliche Schätze überbringe. Jedenfalls nicht die Knochen eines exekutierten Verbrechers. Ich darf nicht zulassen, dass er mit diesen Knochen Schindluder treibt. Rachel hat ihr Leben darauf abgestellt, sie zu beschützen.
    Er holte tief Atem und spürte, wie sich sein Herz auftat, sich in seiner Brust ausbreitete wie ein Vogel, der seine Schwingen entfaltete, um sich dann wieder auf normale Größe zu reduzieren und umso lebendiger und leidenschaftlicher zu pochen. Für Primo war die Welt nicht länger nur schwarz und weiß, sondern zeigte sich ihm in allen Schattierungen des Regenbogens. Wenn er bislang nach einem Kodex der Ehre und Pflichterfüllung gelebt hatte, wusste er jetzt, dass es eine höhere Verpflichtung gab als die seinem Meister und Kaiser gegenüber – die Pflicht zu lieben.
     
    Eine Vision ließ Ulrika aus dem Schlaf hochschrecken: Sie sah ein zusammengerolltes Dokument auf Papyrus, versiegelt mit rotem Wachs, in das Primo seinen Ring drückte.
    Das ist der Betrüger, den ich im Umfeld von Sebastianus vermutete.
    Sie warf ihren Umhang über und begab sich ungeachtet der kalten Luft vor Tagesanbruch auf die Suche nach ihm. Primo saß am Lagerfeuer, starrte in verkohlte Scheite.
    »Damals in Antiochia hatte ich eine Vision«, sagte sie. »Ich sah dich Sebastianus betrügen. Und doch hast du davon abgesehen.«
    Seine Augen verrieten, dass er eine schlaflose Nacht hinter sich hatte. Mit einer für ein Raubein ungewöhnlich sanften Stimme berichtete er Ulrika Erstaunliches über Eide und Kaiser, Spione und geheime Botschaften. Als er geendet hatte, dachte sie lange nach. »Du bist ein Ehrenmann, Primo«, sagte sie dann, »und außerdem ungemein charakterfest. Seit unserem Aufbruch in Rom befandest du dich in einem moralischen Dilemma und hast es für dich behalten. Jetzt bin ich überzeugt, dass ich in meiner Vision seinerzeit in Antiochia nicht einen Verräter gesehen habe, sondern einen Mann im Konflikt mit seiner eigenen Loyalität. Ich habe dich falsch beurteilt.«
    »Ich dich auch«, sagte er leise. »Als ich zum ersten Mal mit dir zusammentraf, befürchtete ich, du würdest meinem Meister zum Verhängnis werden. Inzwischen weiß ich, dass du ihm gutgetan, ihn dazu gebracht hast, sich auf seine eigene Stärke zu besinnen. Wir hätten freundschaftlicher miteinander umgehen sollen. Es tut mir leid, dass dem nicht so war.«
    »Mir auch«, sagte sie und lächelte. »Und jetzt müssen wir Sebastianus berichten, wie es sich in

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