Die Schicksalsgabe
von Jakob geborgen und in einem kleinen Kasten aus Zedernholz aufbewahrt hätten. Dass sie anschließend zur Küste gezogen seien, dort auf einem Handelsschiff das Große Grün überquert und vor einer Woche, am ersten Tag des Oktobers, Brundisium erreicht hätten. Dass sie dort Pferde und Wagen gekauft und sich mit frischen Vorräten eingedeckt hätten und dann der Via Appia, die die großen Städte Italiens miteinander verband, in nördlicher Richtung gefolgt seien. Dass sie sich fünfzig Meilen südlich von Rom von Primo und Rachel zu deren Sicherheit getrennt hätten, nicht zuletzt weil dort ein Freund von Primo lebte, ein ehemaliger Zenturio, unter dem er gedient hatte und der ihnen bestimmt Zuflucht in seinem Weinberg in den Hügeln gewähren würde.
»Und wie gedenkt ihr mit Jakobs sterblichen Überresten zu verfahren?«, fragte Timonides.
»Wir beabsichtigen, sie einem Mann namens Simon Petrus zu übergeben, einem Freund von Rachel.«
Timonides schüttelte den Kopf. »Eure Freundin Rachel ist hier nicht sicher. Ich habe von diesem Simon gehört. Er führt eine Gruppe von Juden an, die auf das Kommen des Messias warten. Da es sich um religiöse Fanatiker handelt, sieht Nero in ihnen die Brandstifter für das Feuer, das in Rom gewütet hat. Sie wurden samt und sonders gefangen genommen und warten auf ihre Hinrichtung in der Arena.«
»Wie schlimm war denn das Feuer?«, fragte Ulrika.
»Verheerend! Es brach vor drei Monaten, in der Nacht zum achtzehnten Juli, in den Läden am südöstlichen Ende des Zirkus Maximus aus und verbreitete sich in Windeseile. Mehr als fünf Tage lang brannte es. Hunderte von Häusern und Läden wurden in Schutt und Asche gelegt. Nero fing unverzüglich mit dem Wiederaufbau an, wobei ihm allerdings so extravagante Projekte vorschweben wie eine prächtige neue Residenz für sich selbst, das Goldene Haus genannt. Ein Projekt, das, wie schon der Name vermuten lässt, die Staatskasse in den Bankrott treiben dürfte. Wisst ihr eigentlich, dass sich Nero zu einem Gott ernannt hat? Er besteht darauf, auf einer Stufe mit Jupiter und Apollo verehrt zu werden. Komm mit, Meister, ich bringe dich und Ulrika an einen sicheren Ort.«
»Geh du mit Timonides«, sagte Sebastianus zu Ulrika. »Und lass Primo und Rachel wissen, dass sie in Italien nicht länger sicher sind.«
»Was ist mit dir?«
»Ich habe eine Verabredung mit unserem Kaiser. Du, Ulrika, begleitest Timonides …«
»Nein. Ich begleite
dich
.«
»Und ich auch, Meister«, kam es von Timonides. »Durch meine falschen Horoskope bist du auf Abwege geraten. Wenn sich jemand des Verrats schuldig gemacht hat, dann ich. Dafür habe ich mich zu rechtfertigen.«
»Wie du meinst. Aber erst einmal müssen wir irgendwie in den Palast hineinkommen.«
»Dort geht es zu wie in einem Tollhaus, Meister. Nero feiert in diesem Jahr ein Jubiläum. Gesandte aus dem ganzen Reich überbringen ihm Geschenke. Man dringt nicht einmal in die Nähe des Kaiserlichen Palasts vor. Am besten lässt du dich von einem
von denen
hinbringen«, sagte Timonides und deutete auf die römischen Wachposten.
»Ich werde nicht in Ketten vor Cäsar treten«, wehrte Sebastianus ab. »Und ganz bestimmt habe ich etwas dagegen, dass meine Ehefrau in Ketten vorgeführt wird. Wir sind freie Bürger Roms, und es steht uns zu, vor einem Urteilsspruch angehört zu werden.« Er rieb sich die bronzefarbenen Stoppeln an seiner Kinnlade. »Bliebe also zu klären, wie wir ohne das Risiko einer Verhaftung in den Palast kommen. Denn wenn man uns verhaftet, kann es sein, dass wir tage- oder gar wochenlang im Kerker bleiben, ehe wir vor Cäsar gebracht und angehört werden. Das Wichtigste ist also, dass wir uns Zutritt verschaffen. Aber wie?«
»Sebastianus«, sagte Ulrika, »wie Primo uns sagte, hat er in seinem Bericht erwähnt, dass du nach Judäa wolltest, um einen dort versteckten Schatz zu bergen. Es dürfte genügen, wenn du am Eingang einfach deinen Namen nennst. Wenn Nero wirklich so dringend Geld braucht, wird er dich sofort zu sich rufen lassen.«
»Aber du hast doch nichts, was du ihm überbringen könntest«, warf Timonides ein. »Die Besucher, die am Palast vorsprechen, haben unglaubliche Geschenke für Cäsar bei sich. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Mit leeren Händen wird man dich nicht hineinlassen.«
»Ich habe sehr wohl ein Geschenk für Cäsar«, sagte Sebastianus. »Ein äußerst seltenes und einzigartiges Geschenk, das nur ich überreichen
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