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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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geherrscht hatte, in dem er selbst gefangen genommen worden war. Wenn Dutzende oder gar Hunderte von Männern auf dem Feld blieben, war es vermutlich nicht einfach, schnell die Hauptleute zu identifizieren.
    »Nun halten wir sie Tag und Nacht unter Beschuss.«
    »Salm gibt so schnell nicht auf«, bestätigte Christoph.
    »Warum bist du in den Krieg gezogen?«, fragte der Sultan unvermittelt. »Wolltest du ein Held werden?«
    Der Bannerträger schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Held. Ich wollte Graf zu Hardegg dienen und Erfahrungen sammeln.«
    »Das mit dem Helden sehe ich anders.« Eine schlichte Bewunderung schwang in diesem Satz mit.
    Christoph sah erstaunt auf. Dann wurde er rot. »Nein, wirklich. Das bin ich nicht.«
    »Wenn es dir so gefällt.« Der Sultan musterte ihn. »Gib mir ein Versprechen, Christoph.«

    Erstaunt sah der Angesprochene auf. »Welches?«
    »Dass du nicht fliehen wirst.«
    Christoph runzelte die Stirn. »Ich dachte, ich bin Euer Gast.«
    »Das bist du. Gäste fliehen nicht.«
    »Werdet Ihr meinen Männern und mir Sicherheit an Leib und Leben zusichern, wenn ich das Versprechen gebe?«
    »Ihr seid in meinem Lager so sicher wie in Abrahams Schoß.« Der Sultan lächelte. »Niemand wird Euch ein Haar krümmen.«
    Christoph nickte. »Dann verspreche ich, dass meine Männer und ich nicht versuchen werden zu fliehen.«
    »Das ist gut«, erwiderte der Sultan. »Das rettet Euch Eure Leben.«
    Der Bannerträger erwiderte darauf nichts. Wenn er an die Wachen und die Kanonen zurückdachte, die dieses Zelt umgaben, dann hatte der Mann vermutlich Recht.
    »Wie lange glaubt Ihr, wird der Krieg wohl noch gehen?«, fragte Christoph, um das Gespräch wieder auf das im Raum stehende Thema zu lenken.
    »Da die Befehlshaber von Wien nicht klug genug waren, auf dem friedlichen Weg zu kapitulieren, mussten wir unsere Pläne ändern«, sagte Süleyman. Sein Gesicht war dabei recht unbekümmert, so als spräche er über eine saure Sorte Trauben. »Wir werden uns ein wenig Zeit lassen. Dafür wird Wien umso härter getroffen werden.«
    »Härter? Noch härter, als wenn Eure Truppen über die Stadt fegen?«
    »Oh ja. Wir werden Wien mit einem Schlag wehrlos machen. Es wird Tote geben - viele Tote. Doch das ist nicht unsere Schuld.«
    Christoph biss sich beinahe auf die Zunge, um nicht die patzige Antwort zu geben, die sich anbot. Wien sollte schuld daran sein, dass der Sultan zur äußersten Gewalt gezwungen war?
»Ich bin sicher, die Frage der Schuld werden andere diskutieren«, erwiderte er säuerlich.
    Der Sultan kräuselte die Stirn. »Nimm das nicht persönlich, Christoph. Das ist eine Sache zwischen mir und dem Erzherzog. Und, wenn du so willst, dem Kaiser.«
    Wieder wollte Christoph widersprechen, doch er schwieg. Der Sultan sah die einfachen Menschen nicht, die auf den Mauern starben. Vielleicht nahm er nicht einmal seine Leibwache wahr, deren Männer für ihn in den Tod gingen. Vermutlich sah er nur Zahlen auf einem Bogen Papier oder einer Tafel.
    »Willst du nicht noch etwas essen?«, fragte Süleyman gönnerhaft und wies auf die köstlichen Speisen.
    »Ich bin nicht mehr hungrig«, gab der Bannerträger zurück. Die Stimmung blieb gedrückt, und der Padischah entließ ihn aus seiner Gegenwart mit dem Versprechen, ihn bald wieder zu laden. Als er durch die sanften Seidenschleier heraus aus dem Zelt trat, war er ganz erstaunt, dass draußen gerade eben erst die Sonne untergegangen war. Von irgendwoher drang eine laute, leiernde Stimme. Die Osmanen wurden zum Gebet gerufen.
    Zurück bei seinem Zelt trat er an den beiden Männern vorbei, die davor postiert waren. Der Sultan hatte sie offensichtlich nicht abberufen. Er vertraute Christoph wohl doch nicht so ganz. Doch vielleicht waren die Wachen auch dazu da, ihn und seine Gefährten vor den Soldaten zu schützen. Aber es würde doch niemand wagen, einen Gast des Sultans anzurühren, oder?
    »Was ist geschehen? Was wollte der Sultan von dir?«, fragte Tannhardt, als er Christoph hereinkommen sah.
    Der Bannerträger dachte an die merkwürdigen Geschehnisse zurück. Was hatte der Sultan gewollt? Er war sich dessen nicht sicher. »Gesellschaft beim Essen«, erwiderte er. Eine
weitreichendere Antwort blieb er Tannhardt schuldig. Ihm stand noch bevor, den beiden Männern von dem Versprechen zu berichten, das er dem Sultan gerade gegeben hatte. Er bereute es selbst beinahe, denn wann immer eine Kanone donnerte, wünschte er sich zurück zu seinen Kampfgefährten,

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