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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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alle wirklich patenten Soldaten. Und er hat sich merkwürdig benommen, als Hofer und ich einen abtrünnigen Janitscharen auf die Burg gebracht haben.«
    »Er war’s nicht, sag ich.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Madelin wich seinem Blick aus. Statt ihrer antwortete der Ikonenmaler. »Wenn du’s ihm nicht sagst, tu ich’s.« Madelin nickte zustimmend. »Er ist der Vater ihrer Schwester«, erklärte Franziskus dem Studenten.
    »Schwester? Aber Graf zu Hardegg hat doch keine …« Lucas verstummte. »Die Bastardschwester von Heinrich, natürlich. Die Tochter seiner Geliebten, Elisabeth von Schaunburg. Das ist deine Mutter?«
    Madelin nickte wieder. »Ich bin vor sechs Jahren fort. Sie hasst mich.«
    »Ihre Mutter ist von einem Osmanen geschändet worden«, erläuterte Franziskus. »Madelin hier ist das Ergebnis.«
    »Ich habe davon gehört«, murmelte Lucas und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Das ist schrecklich.«
    »Ja«, sagte Madelin leise. Sie wollte nicht weiter darüber sprechen und wandte sich stattdessen wieder dem Plan zu. »Wenn du glaubst, dass Hardegg der Spion ist, wie gehen wir
dann weiter vor? Wie finden wir heraus, ob er es war?« Sie erinnerte sich an das unverhoffte Auftauchen des Grafen bei Woffenbergers Werkstatt. Schon an dem Tag hatte sie sich gefragt, was er da zu schaffen gehabt hatte.
    »Vielleicht hat Woffenberger Buch über seine Arbeiten geführt?«, schlug Franziskus vor.
    »Schon möglich. Der Mann war ein guter Handwerker«, sagte Lucas. »Ein wenig konfus vielleicht, aber in seiner Arbeit sorgfältig. Sein Lehrling hingegen war nicht sonderlich schlau. Aber selbst wenn - der Mörder hat die Beweise sicherlich vernichtet.«
    Madelin blinzelte. »Woffenberger hatte einen Lehrling?«
    »Ja, sicher, ich glaube, er hieß Daniel. Warum?«
    »Weil der vielleicht nicht tot ist. Möglicherweise …«
    »… weiß Daniel, wer die Abänderung der Karten in Auftrag gegeben hat?«, ergänzte Franziskus aufgeregt.
    »Eine gute Idee«, sagte Lucas. »Aber wie sollen wir den finden? Von den Nachbarn ist sicher kaum mehr jemand in der Stadt, die guten Bürgersleute sind doch fast alle geflohen.«
    »Kennst du niemanden, den du fragen kannst?«
    »Sicher kenne ich hier Leute, die ich fragen kann. Aber ob die wissen, wo ein einfacher Lehrling hin ist … bestimmt ist er geflohen.«
    Madelin wandte sich ab. Sie starrte auf die Reihe der Bücher und ließ die Erkenntnisse, die sie gewonnen hatten, auf sich wirken. Ignorierten sie hier das Offensichtliche? War Graf zu Hardegg der Schuldige? Sie hatte den Mann nie wirklich gut kennengelernt. Er hatte nicht zum Leben im Haus der Mutter gehört. Natürlich war er oft zu Besuch gewesen, wenn er in Wien geweilt hatte, aber für die Kinder und den Alltag hatte er sich nie interessiert. Zu Madelin war er immer kühl und arrogant gewesen. Er stammte nicht aus Wien und war oft fort -
wer wusste schon, welche Interessen er wirklich hegte? Man sagte gar, er sei mit Kaiser Karl V. persönlich bekannt.
    Aber ein Verräter? Der Gedanke war unbegreiflich. Er musste doch an jeder Stabssitzung teilnehmen, kannte sämtliche Pläne des Feldhauptmannes Niklas Graf Salm, wusste von jedem Ausfall, den Eck von Reischach unternahm. Wenn er der Verräter war, wäre Wien bald hilflos. Doch bevor man sich nicht sicher war, wer die Karten in Auftrag gegeben hatte, konnte man zu keinem der Offiziere gehen, um den Vorfall zu melden, denn theoretisch konnte es jeder aus dem Stab sein.
    »Wir brauchen mehr Fakten«, murmelte sie. »Ich gehe nach dem Lehrling suchen.«
    »Allein?«, fragte Lucas entsetzt. »Man hat gerade versucht, dich zu bestehlen und umzubringen, und du willst allein nach einem Spion suchen?«
    »Ich kenne die Stadt gut«, sagte Madelin. »Vielleicht nicht so gut wie du in den letzten Jahren, aber gut genug. Du musst dir keine Sorgen machen, ich komme schon klar.« Sie sah aus den Augenwinkeln, dass Franziskus eine Geste machte, die offenbar für Lucas gedacht war - er zog die flache Hand ruckartig vor dem Hals entlang, um ihm mitzuteilen, dass er sie nicht weiter drängen solle. Sie versuchte, ein Schmunzeln zu verbergen. Franziskus kannte sie einfach zu gut und wusste, dass alle weiteren Worte sie nur entschlossener machen würden.
    »Nun gut«, sagte Lucas widerwillig. »Momentan kann ich also nicht von großer Hilfe sein. Ich muss eh längst zurück zum Dienst. Von Reischach wird heute Nacht die Mauern und den Kärntner Turm reparieren und braucht jede

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