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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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schon zu dem geworden, was er bislang verabscheut hatte. Was Gott, der Herr, wohl noch alles für ihn bereithielt? Er seufzte.
»Setzt Euer Schreiben auf.« Denn wenn er mit den Landsknechten in die Vorstädte sollte, dann musste er sich beeilen.
     
    »Ihr seid noch immer nicht fertig mit den Spielkarten?«
    Die Gestalt unter dem grauen Kapuzenmantel schreckte den alten Kartenmaler Woffenberger aus seiner Arbeit auf. Er war am frühen Morgen damit beschäftigt, die wichtigsten und teuersten Werkzeuge aus seinem Regal hastig in einer Truhe zu verstauen. Ein halbes Dutzend andere standen schon, bis zum Rand gefüllt mit kostbaren Landkarten, auf dem Karren.
    »Vergebung, Herr«, erwiderte er. »Ich bin fast fertig.«
    Der Unbekannte, der bei der Tür stand, verbarg das Gesicht tief im Schatten der Kapuze. »Fast ist nicht gut genug. Ihr wolltet die Spielkarten längst modifiziert haben.«
    »Ich habe gearbeitet wie der Teufel, aber jetzt muss ich packen!« Woffenberger beschrieb mit der Hand einen Bogen, der seine Werkstatt umfasste, besonders aber die beiden Regale, die die Wände links und rechts bedeckten. In dem einen stapelten sich Pergament- und Papierrollen, in dem anderen herrschte eine heillose Unordnung, bestehend aus Gefäßen voll Tinte, ungebrauchten Federn, Kohlestiften, Federmessern und Tuschepinseln, Winkelhölzern, Knotenschnüren zum Abmessen von Distanzen auf Papier, Beuteln voll Farbpigmenten und Schüsselchen.
    »Packen?«, fragte der Mann unter dem Umhang.Woffenberger fuhr ein Schauer den Rücken hinab, denn die Stimme des Fremden klang beinahe unnatürlich heiser und war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Allerdings. Die ersten Türken sind gestern vor der Stadt gesichtet worden, sagt man, und sogar Hardegg und seine Leute sind gelaufen wie die Hasen. Heute geht der letzte Zug aus der
Stadt heraus. Arbeit hin oder her, ich fliehe mit meinem Lehrling Daniel nach Krems. Eure Spielkarten bekomme ich wohl nicht mehr fertig.« Der runde Kartenmaler schnaufte unter seinem Gewicht und fuhr sich mit einer Hand fahrig über den weißen Vollbart. Dann krümmte er die gichtigen Finger, so weit es eben ging. Nicht mehr lange, dann wären sie ganz steif, und er könnte seine Arbeit eh nicht mehr machen - ein Umstand, der ihm schlaflose Nächte bereitete.
    Der Mann in dem grauen Umhang trat zwei Schritte weiter in die Werkstatt herein. Woffenberger stellte fest, dass man seine Schritte nicht hörte, obwohl er auf dem alten Holzboden ging, der sonst unter dem leichtesten Gewicht zu knarren begann.
    »Ihr werdet diese Spielkarten fertig malen«, sprach der Mann. »Egal, wie lange es dauert.«
    »Herr«, sprach Woffenberger weinerlich. »Glaubt Ihr, ich will hier eingesperrt sein, wenn die Teufel aus dem Morgenland einfallen? Um nichts in der Welt! Ich verschwinde, selbst wenn es mich die Werkstatt kosten sollte. Immerhin habe ich dann noch mein Leben!«
    »Ihr werdet diese Spielkarten fertig malen«, wiederholte der Mann. Woffenberger stellten sich die Haare zu Berge, denn die Betonung ließ keinen Spielraum für eine Diskussion. »Ihr seid der Einzige in Wien, dem es gelingen kann, die Angaben aus dem Plan so in die Spielkarten einzubauen, dass es niemandem auffällt.«
    Doch der Kartenmaler schüttelte den Kopf. »Ich riskiere mein Leben doch nicht für ein paar Trionfi-Karten! So wichtig es Euch auch sein mag, die Entfernungsmaße des Plans darin zu verschlüsseln. Nein, mein Herr, dafür zahlt Ihr mir bei weitem nicht genug Geld.«
    Der Fremde machte ein Geräusch, das eine Mischung zwischen
abfälligem Schnauben und einem Lachen zu sein schien. »Um Geld geht es also«, sagte er. »Ihr wollt mehr Geld?« Der Mann griff unter seinen Umhang und war mit zwei Schritten beim Pult des Malers. Dann ließ die behandschuhte Rechte einen schweren Beutel auf die Arbeitsfläche fallen.
    Woffenberger hatte Angst, ja. Doch wenn in diesem Beutel so viel Gold steckte, wie es den Anschein hatte, dann musste er sich keine Sorgen mehr um seine Gichtfinger machen. Dann könnte er in Ruhe seinen Lebensabend verbringen, einen Gesellen ausbilden und ihm schließlich die Werkstatt verkaufen. Der Kartenmaler steckte eine Hand nach dem Beutel aus und stellte fest, dass sie zitterte. Er ballte sie für einen Augenblick, um seine Aufregung vor dem Fremden zu verbergen. Dann öffnete er das Sackerl und erhielt einen Blick auf etliche Dutzend Münzen, der Großteil davon Gulden. Woffenberger fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Was

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