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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Sein Kopf oder der von Albert. Der des toten Freundes war immerhin schon halb abgeschlagen. »Ein Christ ist … ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan!«, stotterte Zedlitz.
    Der Osmane schlug ihm ins Gesicht, so dass ein helles Licht vor Christophs innerem Auge aufblitzte. Gleichzeitig schmeckte
er Blut. Zedlitz fasste sich an den Kopf, bis das Kreiseln aufhörte. Er sah zu von Pollern hinüber. »Was soll’s? Schaden kann’s ihm nicht mehr, Zedlitz«, murmelte der. »Kein Grund, sein Leben dafür zu opfern.« Der Anführer stieß Zedlitz an der Schulter an und wies mit dem Kinn auf die Axt.
    »Nein«, flüsterte Zedlitz. »Ich werde das nicht tun. Es ist barbarisch und brutal und niemand mit einem Funken Würde im Leib würde so etwas von einem anderen Mann verlangen.«
    Der Anführer knurrte seinen Männern etwas zu. Hinter sich hörte der Bannerträger, wie die Osmanen ihre Säbel zogen. Ein Blick über die Schulter bestätigte, dass sie jetzt an den Hälsen seiner Kampfgefährten lagen.
    »Zedlitz!«, rief von Pollern. »Tut es doch einfach. Es ist doch nur ein verdammter Leichnam!«
    Der Anführer senkte seinen Kopf, so dass sein Mund ganz nah an Christophs Ohr war, als er sagte: »Sein Kopf oder die Köpfe der Männer.«
    Christophs Leben war eine Sache, doch er trug die Verantwortung für seine Männer. Er würde nicht zulassen, dass sie für einen toten Mann starben. Also nickte er und erhob sich. Bei dem Hauklotz angelangt, zog er die Axt mit zitternden Fingern heraus. Dann wandte er sich dem Leichnam des Mitstreiters zu und hob sie, um ausreichend Schwung zu holen. Er zielte auf die kleinen Wirbel des Rückgrades, freigelegt von dem Hieb, der Albert getötet hatte. Tief holte er noch einmal Luft. Dann ließ er die Axt niedersausen. Es gab ein hohles Geräusch, als er auf Knochen stieß, dann glitt das Blatt der Axt schmatzend in das Fleisch des Toten. Die Fliegen stoben mit zornigem Summen auf.
    Christoph würgte und dankte Gott für seinen leeren Magen. Er holte noch einmal aus, dieses Mal in leicht verändertem Winkel, und hieb wieder auf die Knorpel. Dieses Mal splitterte
der Knochen. Ein dritter Schlag durchtrennte die letzten Sehnen und Muskeln. Christoph stand über von Kempff und atmete schwer. Er verspürte Ekel gegen sich selbst. Dann warf er die Axt dem Anführer vor die Füße und stellte sich zurück zu seinen Leuten.
    Der Anführer der Gruppe Osmanen grinste. »Gut. Jetzt die anderen.« Er wandte sich zu von Pollern und wies auf einen der mährischen Reiter, die dort lagen. Der tote Mähre sah nicht besser aus als Alberts Leichnam. Nun leerten Christophs Kampfgefährten ihre Mägen.
    Die Osmanen ließen ihnen keine Ruhe, bis zwei weitere Männer vorgetreten waren und die Köpfe der beiden mährischen Reiter neben ihren Besitzern lagen. Die anderen wollten schon aufatmeten, doch der Anführer wählte noch weitere Leichen aus, männliche Hospitalbewohner. Zum Schluss lagen sieben Köpfe vor ihnen, und Zedlitz ahnte, wohin das führte.
    Tatsächlich erhielten von Pollern und die mährischen Reiter dann ihre Lanzen und mussten jeder einen der Köpfe auf die Spitze spießen. Christoph selbst wurde nicht dazu gezwungen; er erhielt Graf zu Hardeggs Banner zurück.
    »Waschen und Rüstung anziehen!«, befahl der Anführer dann. Er wies auf einen Waschzuber, vermutlich den des Spitals. Er war randvoll gefüllt mit kaltem Wasser.
    Der Bannerträger gehorchte und forderte auch seine Leute auf, sich zu reinigen. Doch der Anführer war damit nicht zufrieden. Er ließ sie das Haar nässen und die Füße säubern. Danach wieder die von Blut besudelten und teils zerrissenen Kleider und Kürasse anzulegen, erschien widersinnig. Doch die Männer gehorchten und halfen einander mit den Schnallen.
    »Gut!« Offenbar war der Anführer zufrieden. »Jetzt wird der Padischah euch sehen.«

    »Padischah?« Christoph sah von Pollern fragend an.
    Der Rotschopf war blass geworden. »Padischah«, wiederholte er. »Das haben sie vor ein paar Tagen immer und immer wieder gerufen. Ich glaube, sie meinen damit ihren Sultan.«
    Christoph schluckte. Man betrachtete sie hier als Sklaven, vermutlich des Mannes, der sie gefangen hatte. Als solche würden sie vor Sultan Süleyman treten, den machtvollsten Mann des Ostens. Mit den Köpfen ihrer Kampfgefährten auf ihren Lanzen aufgespießt. Man hatte sie zu einer verdammten Siegesparade aufgerüstet. Oder zu einem Geschenk. Doch wenn die Soldaten bereits

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