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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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der Mann zu sagen haben, das wir hören müssen? Nichts. Selbst wenn du Recht hast - er ist bloß Fußvolk. Ein Sklave. Was kann er schon wissen?«
    Lucas bekam fast den Eindruck, als wolle der Graf nicht verstehen. »Aber kann es denn schaden, ihn anzuhören?«, fragte er und sah zu Eck von Reischach hinüber. Der Landsknechtsführer schwieg.
    »Er kann Zwietracht und Hoffnungslosigkeit verbreiten«, erwiderte der Graf. Unwillig schüttelte er den Kopf und ging zur Tür. »Nein, ich werde ihn nicht anhören. Verschwendet gerne Eure Zeit mit ihm, Reischach.« Doch in der Tür hielt er inne und schaute, ob der Angesprochene ihm folgte.
    Der Hauptmann der Landsknechte antwortete nicht. Er
hielt einen Arm über die Brust gelegt, den anderen angewinkelt, so dass er in einer nachdenklichen Geste das Kinn in die Hand stützen konnte. Merkwürdigerweise musterte er Lucas, nicht den Verletzten. Würden ihn die Hauptleute jetzt etwa der Mitverschwörung anklagen?
    Endlich sprach von Reischach. »Was denkst du, hat der Mann uns zu sagen, Bursche?«
    Lucas suchte Wilhelm Hofers Blick, doch der starrte ihn nur herausfordernd an. Der Zimmermann würde seinen Hals nicht riskieren - ihm hatte die Idee, den Verletzten auf die Burg zu bringen, von Anfang an missfallen. »Ich glaube, dass er gekommen ist, um uns zu warnen.«
    »Warnen?«, fragte von Reischach. »Wovor?«
    »Ich weiß es nicht. Aber es scheint diesem Mann wichtig genug gewesen zu sein, sich in unsere Mauern hineinzuwagen. Heute ist der erste Tag des Oktober, oder? Die Osmanen sind vor einer Woche angekommen. Warum haben sie noch nicht angegriffen?«
    »Bienen!«, warf da der Mann ein. »Dürgen graben Bienen.«
    »Weil wir ihnen in drei Ausfällen den Arsch verdroschen haben, deswegen!«, fuhr zu Hardegg auf und kehrte in die Mitte des Raumes zurück.
    Der Hauptmann der Landsknechte hingegen schmunzelte. »Eigentlich habe ich den Janitscharen mit meinen Knechten den Arsch verdroschen, Hardegg«, sagte er dann. »Wir haben ihnen in der Widmervorstadt und bei Sankt Anton ein paar Schlappen beigebracht. Der einzige Angriff, den die Osmanen begonnen und gewonnen haben, war der auf Eure Reiterei.«
    Der Graf wurde rot vor Wut. »Vergesst nicht den auf das Schottentor gestern, Reischach!«
    »Ach, hört auf, das war doch höchstens ein Scharmützel. Worauf willst du hinaus, Steinkober?«

    »Vielleicht haben sie nicht mit so viel Gegenwehr gerechnet«, sagte Lucas. Er formte die Worte noch einmal wieder und wieder mit den Lippen nach, um endlich zu verstehen, was der Mauerkletterer ihnen sagen wollte. Da kam ihm ein schrecklicher Verdacht. Wenn man nicht an die Mauern herankam, um sie zu überwinden, dann …
    »Beantworte die Frage, Mann!«, befahl zu Hardegg. »Worauf willst du hinaus?«
    »Sie graben Minen«, sagte Lucas tonlos.
    Für einen Augenblick hätte man in der Kammer eine Nürnberger Drahtnadel fallen hören können, so still war es. »Zumindest glaube ich, dass der Mann uns das sagen will.« Der Fremde hatte den Kopf erhoben und nickte, dann fuhr seine Hand zum Kopf. Er musste Schmerzen haben. »Bulver«, fügte er hinzu.
    »Wenn das stimmt, muss Feldhauptmann Graf Salm wissen, wogegen er sich zur Wehr zu setzen hat. Keine tausend Soldaten helfen gegen unterirdische Sprengladungen«, sagte Lucas.
    Die beiden Hauptleute, die sonst immer im Wettstreit miteinander zu liegen schienen, sahen einander fragend an. Eck von Reischach wandte sich Wilhelm Hofer zu. »Was sagt Ihr dazu?«
    Der alte Zimmermann fuhr sich verlegen durch den grau gesträhnten Bart, seine buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. Er zögerte. »Weiß nicht, Herr«, brummelte er dann. »Ich find’, man darf dem Burschen nicht trauen!« Er wurde rot. »Aber ich weiß nicht viel, Herr. Bin ein Zimmermann.«
    Der Hauptmann nickte. »Mehr ist auch nicht gefragt, Bürgersmann.« Er rieb sich nachdenklich die Stirn. Dann trat er an den Tisch. »Kann er sprechen?«
    »Nicht deutlicher als eben, aber ein paar Worte gehen sicher.«

    »Soldat«, sprach von Reischach den Mauerkletterer an, »ist das wahr? Bist du ein Christ?«
    »Ja«, grunzte der Osmane und bekreuzigte sich wieder.
    Von Reischachs Miene verfinsterte sich. »Dann sprich das Glaubensbekenntnis.«
    »Herr!«, fuhr Lucas dazwischen. »Ein paar Worte sagte ich! Seine Nase ist gebrochen, seine Lippe gesprungen und er kann wegen der gebrochenen Rippen kaum atmen!«
    Der Hauptmann maß Lucas mit kühlem Blick. »Wenn er glaubt, es sei seine

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