Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
achtundvierzig durch Hartlepool versteckten Gewehre auszuliefern. Vielleicht konnten sie mit den Feuerwaffen auf die Jagd gehen? Aber der Vorschlag wurde zurückgewiesen. Zu dieser Jahreszeit war das Wild selten, und die Gewehre boten in der Hand unerfahrener Bauern geringe Aussicht auf Ernährung einer großen Volksmenge, außerdem bedeuteten sie eine große Gefahr.
Mehr als einer der Kolonisten wurde gefoltert… (S. 246.)
An einzelnen Anzeichen, wilden Gebärden, haßerfüllten Blicken, heftigen Ausbrüchen, war zu ersehen, daß die Leidenschaften durch ein Nichts in diesen verkommenen Menschen entfesselt werden konnten. Die Kolonisten gaben sich keine Mühe mehr, den Haß zu verbergen, der sie gegenseitig erfüllte. Einer klagte den anderen an, an seinem Unglück die Schuld zu tragen, und jeder machte den Nachbarn für den jetzigen Stand der Dinge verantwortlich.
Nur einem fluchte man einstimmig, und das war Ferdinand Beauval, welcher so unvorsichtig gewesen war, sich die Herrschaft über seine Brüder anzumaßen.
Obwohl seine in die Augen springende Unfähigkeit den Unwillen der Emigranten rechtfertigte, ertrug man seine Anmaßung noch und stützte ihn sogar. Wenn eine Volksmasse, ein Haufen sich gegenseitig aufhebender Einzelwillen, sich selbst überlassen ist, ist sie unfähig zum Handeln. Der Hang zum Nichtstun stattet sie mit unendlicher Geduld aus, und wie groß auch ihre Unzufriedenheit ist, sie schreckt davor zurück, sich am Oberhaupt zu vergreifen, eine religiöse Scheu vor seiner Unantastbarkeit, deren Schöpfer sie selbst ist, hält sie davon ab. So war es hier auch und vielleicht hätten sich die Kolonisten der Insel Hoste mit heimlichen Beratungen und leisen Drohungen begnügt, wenn sie nicht ein Mann unter ihnen zum Handeln angeeifert hätte.
Ist es zu glauben, daß trotz der schrecklichen Lage, der Nähe des Todes, das Phantom »Macht«, die Beauval verkörperte, diesem glühende Neider geschaffen hatte. Armselige Macht, die darin gipfelte, der sogenannte Gebieter einer Anzahl Halbverhungerter zu sein!
Und dennoch war es so!
Trotz der ernsten Wirklichkeit fand Lewis Dorick diese Scheinautorität nicht so verächtlich, und vielleicht hatte er nicht so ganz unrecht. Der einfache Volksverstand wendet, um die politische Macht zu bezeichnen, den passenden, malerischen Vergleich mit den »Fleischtöpfen Ägyptens« an. Und auch in dieser dem Elend preisgegebenen Gesellschaft sicherte die erste Stelle dem Besitzer gewisse Vorteile; Beauval wußte das recht gut und dieser Vorteile wollten Lewis Dorick und seine Freunde auch teilhaftig werden.
Bisher hatte er nur sehr ungeduldig die Erhebung Beauvals vertragen Er erachtete jetzt die Gelegenheit für günstig, seine Taktik zu beginnen indem er das soziale Elend als Ausgangspunkt benützte. Es gab ja der Gründe genug zu berechtigten Klagen! Er hatte nur die passendsten auszuwählen Vielleicht hätte es ihn in Verlegenheit gebracht, hätte man ihn gefragt, was er an Stelle seines Rivalen getan hätte. Aber diese indiskrete Frage stellte niemand, somit brauchte er sich ob der Antwort keine Sorge zu machen.
Beauval sah die Anstrengungen, die sein Gegner machte. Ost beobachtete er sehr nachdenklich die Menschenmenge durch die Fenster des Gebäudes, das er in seiner pomphaften Weise den »Regierungspalast« benannt hatte. Von Tag zu Tag zählte sie mehr Köpfe, denn der Frühling nahte heran und die Temperatur wurde milder. Aus den wilden Blicken, die auf sein Haus fielen, aus den drohend geballten Fäusten sah Beauval, daß Doricks Bemühungen Früchte getragen hatten; er war aber nicht geneigt, von seiner Höhe herabzusteigen, er dachte an Gegenwehr. Der zerrüttete Zustand der Kolonie war nicht abzuleugnen; aber er maß den Umständen alle Schuld bei, insonderheit dem Klima. Sein felsenfestes Selbstvertrauen war nicht erschüttert worden. Wenn er nichts gemacht hatte, so war das aus dem Grunde geschehen, daß eben nichts zu machen war! Ein anderer an seiner Stelle würde gleichfalls untätig geblieben sein.
Es war nicht Stolz allein, der Beauval veranlaßte, sich fest an seine Stellung zu klammern. Er war ja doch sehr enttäuscht worden und hatte seine Illusionen, sein Ansehen betreffend, aufgeben müssen. Aber er dachte gleichzeitig mit Unruhe und Befriedigung an die zahlreichen Vorräte an Lebensmitteln, die er für seinen Gebrauch auf die Seite geschafft hatte. Wenn er nicht Staatsoberhaupt gewesen wäre, hätte er nicht vermocht, diese
Weitere Kostenlose Bücher