Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
seinem Herzen und es erschien ihm doppelt hart, jetzt gezwungen zu sein, etwas zur Rettung der Stadt beitragen zu müssen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, waren ihm die Wachtstunden unerträglich.
    Aber der Haß fiel erst in dritter Linie bei Patterson ins Gewicht. Der ehrliche Haß wie die wahre Liebe suchen sich offene, weite Herzen, aber in der engen Seele eines Geizhalses finden solche groß angelegte Leidenschaften keine Wohnstätte.
    Erst kam bei ihm die Habgier an die Reihe, in zweiter Linie aber die Furcht.
    Nachdem sein Schicksal mit dem seiner Mitbürger zusammenhing, riet ihm die Furcht, seinen Haß zu vergessen. Wenn es ihm auch angenehm gewesen wäre, eine Stadt, die er verabscheute, in Flammen aufgehen zu sehen, so war doch dabei die Bedingung zu stellen, daß er sich vorher retten konnte. – Aber es gab keine Möglichkeit, sie zu verlassen. Im Inneren der Insel streiften die wilden Horden der Patagonier, deren Grausamkeit zur Genüge bekannt war und die bald vor Liberia erscheinen mußten. Indem Patterson die Stadt verteidigen half, verteidigte er sich schließlich nur selbst!
    Also zog er vor, die Wache zu beziehen, obwohl sie für ihn eine Quelle der unangenehmsten Empfindungen war. Er fand durchaus kein Vergnügen daran, allein zu bleiben, in der ersten Reihe, manchmal auch während der Nacht, und Gefahr zu laufen, vom Feinde überrascht zu werden. Die Furcht machte aus ihm sogar eine ausgezeichnete Schildwache Mit welcher Anstrengung er seine Blicke in die Finsternis bohrte! Mit welcher Gewissenhaftigkeit er die Schatten der Nacht durchforschte, das Gewehr schußbereit zur Hand, um beim geringsten verdächtigen Geräusch den Alarmschuß zu geben.
    Die ersten vier Tage verliefen ohne Zwischenfall, nicht so war es am fünften. Gegen Mittag hatte man die Patagonier sich nähern sehen und gleich darauf schlugen sie im Süden der Stadt ihr Lager auf. Jetzt wurde das Spiel bitterer Ernst. Der Feind war in bedrohlicher Nähe.
    An diesem Abend hatte Patterson seine Wache am nördlichen Wall anzutreten, zwischen dem Fluß und der Straße nach Neudorf. Da sah er plötzlich ein helles Licht in der Richtung des Hafens aufblitzen. Jetzt war keine Illusion mehr möglich, die Patagonier begannen den Tanz. Vielleicht kam es gleich zum Angriff und wahrscheinlich gerade vor ihm, nachdem ihm sein Unstern den Posten an der Straße zugewiesen hatte.
    Wie groß war sein Schrecken, als wenige Minuten nachher auf eben dieser Straße lauter Lärm losbrach. Eine nicht unbedeutende Truppe kam herbeigelaufen und näherte sich rasch. Nun wußte Patterson genau, daß quer durch die Straße ein Graben gelegt war, den eine Abzweigung des Flusses mit Wasser gefüllt hatte. Diese Verteidigungsmittel schienen ihm sehr beruhigend am lichten Tage, jetzt, in finsterer Nacht aber sehr ungenügend! Er sah schon den Graben übersetzt, den Wall erklommen, die Stadt eingenommen…
    Aber die mutmaßlichen Eindringlinge waren am Rande des Grabens stehen geblieben. Patterson, obwohl er die einzelnen Worte nicht hören konnte, verstand, daß man sich beriet. Dann kam es zu einem Tumult. Man schleppte Bretter, Bohlen, Stangen herbei, um einen Notsteg zu schaffen. Wenige Augenblicke später sah Patterson von weitem die Ankömmlinge vorbeidefilieren. Sie waren wirklich in großer Menge gekommen und ihre Gewehre blitzten in den fahlen Strahlen des Mondes, der eben sein letztes Viertel begonnen hatte. An ihrer Spitze schritt ein Mann von großer Gestalt, um den sich alles drängte, dessen Name von Mund zu Mund lief: es war der Kawdjer.
    Patterson war gleichzeitig sehr erfreut und zornig erregt. Er war zornig, weil der Kawdjer gekommen war, den er über alles haßte. Er empfand Freude, weil ihn diese eingetroffenen Verstärkungen beruhigten.
    Der Kawdjer war von Neudorf herübergekommen. Als er bei der Ankunft den Feuerschein in dem Vororte erblickte und wußte, daß dieser ein Raub der Flammen sei, hatte er rasch einen Plan erdacht. Er hatte, wie die Patagonier, den Fluß drei Kilometer stromaufwärts mit seiner kleinen Armee übersetzt und sich, durch die helleuchtende Flamme geführt, durch die Felder nach Neudorf geschlichen.
    Aus der Anzahl der Lagerfeuer im Süden schloß er, daß der große Teil der Patagonier sich dort befinden mußte. Deshalb konnte man in der Nähe des Vorortes höchstens kleinen Abteilungen begegnen, die leicht zu überwältigen waren. Auf diese Weise wollte er Liberia von der Straße aus erreichen.
    Er hatte

Weitere Kostenlose Bücher