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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Anarchie nahm immer erschreckendere Dimensionen an, je weiter der Sommer fortschritt. Die Übertreibungen taten das ihrige und so kam es, daß in der Alten und Neuen Welt die Insel Hoste als ein unerschöpfliches Goldreservoir angesehen wurde. Und immer neue Goldsucher landeten. Vom Hafen wurden sie zurückgewiesen und schifften sich an der Küste aus. In den letzten Tagen des Januar konnte der Kawdjer, nach verschiedenen ihm zugekommenen Mitteilungen, die Fremden der Insel auf mindestens zwanzigtausend Köpfe schätzen; was mußte man von diesen Wahnsinnigen erwarten, die jetzt schon um den Besitz der Placers blutig kämpften, wenn erst der Hunger im Winter seine Krallen um sie schlug.
    Die Unordnung hatte ihren Maximalstand erreicht. In dieser zügellosen Menge spielten sich Szenen von abscheulicher Wildheit ab, denen mehrere Hostelianer zum Opfer fielen. Sofort begab sich der Kawdjer nach erhaltener Nachricht zu den Placers und drang furchtlos in die Mördergrube ein. Alle seine Anstrengungen blieben fruchtlos, sein Dazwischentreten wäre bald schlecht für ihn ausgefallen. Man drängte und stieß ihn zurück und bedrohte sogar sein Leben.
    Aber ein anderes Resultat brachten diese Bemühungen mit sich, das er nicht erwartet hatte. Diese aus heterogenen Elementen bestehende Menge von Abenteurern umfaßte Leute von allen Rassen der Erde und aus allen Ständen. Sie waren in ihrem jetzigen Verfall sich ähnlich geworden, aber ihrer Herkunft nach sehr verschieden. Die Mehrzahl rekrutierte sich jedenfalls aus dem Abschaum der großen Städte, in deren Höhlen das menschliche Elend hauste, aber einige waren in höheren gesellschaftlichen Sphären geboren. Einige nannten selbst wohl bekannte Namen ihr eigen und hatten große Reichtümer besessen, ehe sie diesem Abgrund zustrebten und immer mehr hinunterkollerten, entwertet durch ein lasterhaftes Leben und den Alkoholgenuß.
    Einige dieser Degenerierten hatten den Kawdjer erkannt wie einst der Kapitän des »Ribardo«, aber mit größerer Sicherheit als der Kapitän des chilenischen Schiffes, der sich nur auf eine Photographie beziehen konnte, während diese den Kawdjer während ihrer Wanderfahrten durch die Welt von Angesicht zu Angesicht gesehen hatten, und trotz der verflossenen Zeit täuschten sie sich nicht, denn der Betreffende hatte einen zu hohen Rang eingenommen, als daß die Erinnerung an seine Züge so leicht hätte verblassen können. Sein Name flog sofort von Mund zu Mund.
    Es war ein berühmter Name, den man sich zuflüsterte, und es war der richtige.
    Der Kawdjer war Abkömmling der regierenden Familie eines mächtigen Reiches im Norden und hatte seine Kindheitstage an den Stufen eines Thrones verbracht. Aber das Schicksal, das die Ironie liebt, hatte diesem Sohne eines Cäsars die Seele eines anarchistisch veranlagten heiligen Vinzenz von Paula gegeben. Kaum hatte er das Mannesalter erreicht, wurde seine hohe Stellung für ihn nicht eine Quelle des Glückes, sondern der Leiden. Das ihn umgebende Elend schnitt ihm ins Herz und er wollte es lindern. Bald mußte er einsehen, daß die Ausführung seines Gedankens seine Macht überstieg. Sein Vermögen, so bedeutend es war, war nicht groß und das Leben eines Menschen nicht lang genug, um auch nur dem einhundertmillionsten Teil der Menschen helfen zu können. Um sich zu betäuben, um den Schmerz zum Schweigen zu bringen, der das Gefühl seiner Ohnmacht für ihn mit sich brachte, warf er sich auf das Studium der Wissenschaften, wo andere sich in den Strudel der Vergnügungen gestürzt haben würden. Aber auch dann, als er Arzt, Ingenieur, Soziologe von Bedeutung geworden war, half ihm all sein Wissen nicht zur Ausführung seiner philanthropischen Ideen. Von Enttäuschungen zu Enttäuschungen wandernd, verlor er die klare Urteilskraft, verwechselte die Folgen mit den Ursachen, und anstatt in den Menschen deren Opfer zu suchen, die seit Jahrhunderten blind gegen die unbarmherzige Materie ankämpfen, machte er für ihr Unglück jene gesellschaftlichen Verbindungen verantwortlich, denen sich jede Kollektivität mangels besserer Erfindung anpassen muß.
    Ein tiefer Haß erfüllte ihn gegen all diese Institutionen, all diese Vereinigungen, die, seiner Meinung nach, alle Übelstände fortwährend neu erzeugten und es ihm unmöglich machten, ihre Gesetze länger zu ertragen.
    Um ihrem Bannkreis zu entgehen, sah er kein anderes Mittel, als die freiwillige Flucht aus der menschlichen Gesellschaft. Ohne jemanden zu

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