Die Schiffe der Kleopatra
gab auch keinen vernünftigen Grund, warum ein Römer sich nicht zum Anführer der Piraten aufschwingen sollte.
»Ariston«, schaltete Kleopatra sich ein, »was hat dich bewogen, die Piraten zu verlassen? Es klingt doch, als würde dir deren Leben gut passen.« Sie zeigte nicht den geringsten Abscheu, sondern lebhaftes Interesse für diesen Mörder zur See. Wenn sie das wirkliche Leben studieren wollte, bekam sie es in diesem Lokal gleich eimerweise geliefert.
»Das alte Leben hat mir gut gepaßt, aber nicht das neue. Du musst wissen, dass wir in den alten Tagen die Könige der Meere waren. Die Piratenflotte hat die Gewässer vom Pontus Euxinus bis zu den Säulen des Herkules und darüber hinaus beherrscht. Wir sind direkt bis vor die Häfen der Römer gerudert und haben ihnen unsere nackten Ärsche gezeigt. Könige zu Land haben uns Tribute bezahlt, nur damit wir verschwinden. Wir haben ganze Städte blockiert und sie gezwungen, sich selbst mit einem Lösegeld freizukaufen. Wir haben unsere Schiffe von Bug bis Heck vergolden lassen und mit tyrischem Purpur gefärbte Segel gehißt. Das war ein Leben, wie es einem Piraten geziemt!« Er blickte wehmütig in die Runde.
»Dieser neue Haufen ist der alten Flotte nicht würdig!« fuhr er fort. »Sie schleichen mit ein paar erbärmlichen Liburnen umher, überfallen kleine Dörfer und kapern Handelsschiffe, solange kein anderes Segel in Sicht ist. In der Flotte des Lichas bin ich bis zum Kapitän einer Triere aufgestiegen! Wir haben es Schiff gegen Schiff mit den Flotten von Bythinien und Rhodos aufgenommen und sie in die Flucht geschlagen.« »Bis Rom kam und die Meere von euch gesäubert hat«, sagte ich.
»Rom verdirbt jedem alles«, sagte er und grinste schief. »Nun, so dreht sich das Rad der Fortuna. Jetzt steht Rom am Ruder, und ich diene lieber einer erstklassigen Macht, als Ziegenherden zu rauben und wehrlose Schiffe zu kapern, die nichts als Wolle geladen haben. Das verträgt mein Stolz einfach nicht!«
»Und wie kann man diese Piraten deiner Meinung nach aufspüren?« fragte Alpheus.
Ariston legte den Kopf zur Seite und wies auf den jungen Mann. »Wer ist der denn?«
»Ich bin ein Dichter«, erklärte Alpheus stolz.
»Der segelt doch nicht etwa mit uns?« fragte der Pirat. »Nein, er nicht«, antwortete ich, »aber sie.«
Ariston verdrehte die Augen. »Na, das kann ja eine interessante Reise werden.«
Kleopatra lächelte lieblich. »Und glaube ja nicht, dass ich mich für dich über die Reling beuge, gefesselt oder nicht.« Unter ihrer glatten Fassade blitzte für einen Moment die mörderische Ptolemäerin auf.
»Alpheus' Frage war trotzdem klug«, sagte ich. »Also, wie können wir sie deiner Meinung nach finden? Denn nur für derlei Hinweise werde ich dich anheuern.«
Er hob seinen Becher. »Das kann warten, bis ich meinen Eid geleistet und den Silberdenar in Empfang genommen habe.« Ich kramte in meiner Börse und nahm einen Denar heraus. »Hier«, sagte ich und warf ihm die Münze zu. »Dies ist das Zeichen deiner informellen Rekrutierung, bezeugt von der Prinzessin Kleopatra, die zur Zeit einer meiner Offiziere ist. Du stehst jetzt unter römischem Schutz. Komm mit uns, wenn wir aufbrechen. Für heute nacht werde ich ein Lager im Haus des Silvanus für dich finden. Seit man dich im Gespräch mit uns gesehen hat, ist dein Leben in diesem Hafen ohnehin keinen Denar mehr wert.«
Er grinste, zwischen seinen weißen Zähnen klaffte keine einzige Lücke. Ich hielt es für ein gutes Zeichen, wenn ein altgedienter Schläger noch alle seine Zähne hatte. Dann verblaßte sein Grinsen, und er meinte: »Ich würde mich besser fühlen, wenn du mir den Eid gleich abnehmen würdest.« Wie jeder echte Seemann hatte er eine angemessene Ehrfurcht vor den übernatürlichen Mächten.
»Dafür brauchen wir einen Altar«, entgegnete ich. »Du kannst den Eid morgen auf dem Marinestützpunkt ablegen.« »Auf dem Rückweg zu Silvanus' Villa kommen wir am Poseidontempel vorbei«, schlug Alpheus vor. »Warum lassen wir ihn den Eid nicht dort ablegen?«
»Gute Idee«, stimmte ich ihm zu. Ich nahm unseren Krug und spähte auf seinen nur noch vage feuchten Boden. »Ich denke, wir brauchen Nachschub.« Ich machte der Bedienung ein Zeichen, und sie kam an unseren Tisch geeilt.
»Wer weiß?« meinte Alpheus. »Bevor es Zeit für den Aufbruch wird, haben wir vielleicht eine ganze Mannschaft von Männern wie Ariston angeheuert.«
»Ich habe den Eindruck, es gibt hier nur sehr
Weitere Kostenlose Bücher