Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
dagegen empört, ist es ihm jetzt völlig gleich – viermal ist er einen kurzen Moment dem bewunderten Idol Goethe ganz nah. Der größte Dichter des Jahrhunderts, nur zehn Jahre älter als er … Einmal will er mit ihm in einem Atemzug genannt werden, will mit dem gleichen Dichterlorbeer gekrönt werden – irgendwann einmal, wusste er, würde keiner mehr über diesen verwegenen Gedanken lachen, wären Goethe und Schiller die größten Dichter der Deutschen …
Eine gute Ausbildung und entsprechende Fähigkeiten sind der Schlüssel zum beruflichen Erfolg – damals wie heute. Und Schiller hat ohne Zweifel die beste Ausbildung seiner Zeit genossen. Er hat lange von diesem Grundstock an Bildung gezehrt, den er später durch eigene Studien noch vervollständigte. Der kluge Dramatiker, der souverän die historischen Stoffe beherrscht, der weithin geachtete Geschichtsschreiber Schiller – ohne eine solide Wissensbasis wäre diese berufliche Entwicklung wohl kaum vorstellbar gewesen. Aber Schiller zahlte in jungen Jahren unfreiwillig einen hohen Preis dafür, denn es war eine harte Schule, mit Zwang und menschenverachtenden Methoden, die heute kaum noch vorstellbar sind. Und doch: Schiller durfte sich zur Elite seines Landes zählen, er war vom Herzog auserwählt worden, eine gründliche akademische Ausbildung zu erhalten, um ihm hinterher ein treuer und fähiger Staatsdiener zu werden. Manch einer hätte ihn sicherlich um diese Chance beneidet, trotz aller Entbehrungen, die das Studium mit sich brachte …
Im Vergleich zur Zeit Schillers ist die Gesellschaft heute viel mobiler, viel durchlässiger geworden, auch und gerade bei den Karrieremöglichkeiten. „Bildung für alle“ ist längst kein fernes Ideal mehr, sondern alltägliche Realität, trotz der zweifelsohne weiterhin vorhandenen (und statistisch gut belegbaren) schlechteren Chancen von Arbeiterkindern, Gymnasium und Studium zu absolvieren, verglichen mit den Kindern von Akademikern.
„It’s the family, stupid“, könnte man angesichts dieser keinesfalls neuen Erkenntnisse formulieren. Denn nach wie vor sind es das Klima in der Familie und die Bildungsaffinität der Eltern, die für die spätere schulische und berufliche Entwicklung entscheidend sind. Die entscheidend prägen, welche Interessen früh geweckt, welche Talente und Möglichkeiten früh gefördert werden. Wer von klein auf mit Büchern aufwächst, für den gehören sie auch später wie selbstverständlich zum Leben dazu. Wer früh ein klassisches Musikinstrument erlernt, profitiert davon meist ein Leben lang. So mancher Spitzensportler hat bereits im Kindergartenalter seine Disziplin gefunden – und sich damit einen fast uneinholbaren Vorsprung an Erfahrung gesichert.
Um nicht missverstanden zu werden: Dieses Kapitel soll kein Plädoyer dafür sein, den Terminkalender der Kinder vollzustopfen mit jeder Form von Kursen und Trainings. Tatsache ist, dass viele Kinder bereits an Stress und einem Übermaß an Freizeit- und Bildungsaktivitäten leiden, die ihnen allzu ehrgeizige oder wohlmeinende Eltern auf den Stundenplan gesetzt haben. Das mag zwar eine Weile gutgehen, kann aber im schlimmsten Fall auch eine Abwehrhaltung hervorrufen, die von Dauer ist.
Auch Schiller hat früh eine solche Abwehrhaltung entwickelt Dass der allmächtige, allgegenwärtige Herzog zu einer negativen Vaterfigur werden musste, ist eigentlich klar. Aber auch der militärische Drill war Schiller schnell zuwider. Als Konsequenz entfloh er ihm, wo immer er nur konnte: zu geselligen, geheimen Abenden mit seinen Kameraden. In das Traumreich seiner Bücher. Und bevorzugt in das allergrößte Refugium für die gehetzte Seele – in das unermessliche Reich der Phantasie. Schillers große Dichterkarriere begann schon lange vor seiner Flucht nach Mannheim – mit seiner inneren Flucht.
Zeit für sich selbst, für die eigene Entwicklung, für die Ausbildung der Phantasie: Das sollte bei allem Streben nach einer guten und möglichst umfassenden (Aus-)Bildung nicht vergessen werden. Erst das Zusammenspiel von beidem – Bildung und Phantasie – hat Schiller die große Karriere als Dichter und Dramatiker ermöglicht. Und natürlich in späteren Jahren auch die Lebensklugheit, die sich in so vielen Werken von ihm findet – aber ihr ist in diesem Buch ein eigenes Kapitel gewidmet.
„Dem spielenden Kinde glückt,
Was dem Weisen misslingt.“
Natur und Schule. Die Horen 1795
7 ERKENNE DEINE STÄRKEN UND KONZENTRIERE DICH DARAUF
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