Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
– LOTE DEINE GRENZEN AUS UND SUCHE DIR EINEN KLUGEN MENTOR
„Nur dem Genie ist es gegeben, außerhalb des Bekannten noch immer zu Hause zu sein.“
Naive und sentimentalische Dichtung
Es war zum Verzweifeln. Er hatte sich dem sperrigen Thema genähert, hatte sich in langen Monaten mit allem befasst, was jemals darüber geschrieben worden war, und endlich war sie fertig: seine Dissertation. Auf Latein geschrieben, hatte sie ihn über ein Jahr gekostet – ein Jahr, das er hätte verwenden können, um seine heißen Gedanken in kühne Worte zu fassen, um der Welt neue Nahrung für ihren Geist zu geben. Aber jetzt war sie endlich abgeschlossen, die Arbeit mit dem Titel „Philosophie der Physiologie“. Man konnte nicht behaupten, dass sein Herzblut darin steckte, aber doch jede Menge Fleiß – und jetzt hatten seine Lehrer die Arbeit abgelehnt. Sich über den respektlosen Ton den medizinischen Autoritäten gegenüber brüskiert gezeigt und die Arbeit für nicht druckfähig erklärt.
Wie sehr hatte er gehofft, dass mit dieser medizinischen Dissertation endlich seine Zeit auf der Karlsschule vorbei wäre! Und jetzt hatte der Herzog angeordnet, dass er ein weiteres Jahr seines Lebens in dieser Zitadelle verbringen und eine neue Arbeit abliefern müsse …
Überhaupt – die Medizin! Konnte es ein Fach geben, das seiner Seele fremder war? Gut, er war froh gewesen, als Karl Eugen irgendwann bestimmt hatte, dass er das von ihm verordnete Jura-Studium aufgeben und mit der Medizin beginnen möge. Damals hatte er geglaubt, dass nichts trockener und langweiliger sein könnte als die Jurisprudenz, und ist erleichtert dem Befehl des Herzogs gefolgt. Doch dann hatte sich schnell gezeigt, dass die Medizin ebenso wenig sein Fach war.
Und jetzt – noch ein Jahr brüten über langweiligen medizinischen Abhandlungen, noch ein Jahr unter der Knute des Herzogs auf der Schule leben. Entschlossen strafft Schiller die Schultern. Er würde es ihnen allen zeigen – seinen Lehrern, und vor allem dem Herzog. Seine Waffe war das Wort, und wenn er es auch auf ungewohntem Terrain einsetzen sollte, so würde er das tun …
Und Schiller tut mehr als das. Ein Jahr darauf, Ende 1780, reicht er gleich zwei Arbeiten ein: eine rein medizinische, lateinisch geschriebene Abhandlung, außerdem eine längere philosophische Untersuchung mit dem Titel „Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen“. Und sie, diese dritte Doktorarbeit, dieses Produkt unendlicher Quälerei, darf endlich – endlich! – verlegt werden, wird bei Cotta gedruckt …
Schillers Studium und sein erster Job waren eine Leidensgeschichte par excellence, für sich und für andere: Zwar hatte Schiller eine fundierte medizinische Ausbildung erhalten – aber er blieb doch immer ein lausiger Arzt. Viele Patienten erlitten wahre Höllenqualen durch seine Rosskuren. Später konnte er nicht einmal die Schwangerschaft seiner eigenen Frau diagnostizieren – bis in den achten Monat hinein, als diese wirklich unübersehbar war. Und auch an sich selbst dokterte Schiller immer wieder mit beinahe mörderischen Arznei-Experimenten herum. Kein Wunder, dass seine ohnehin schon labile Konstitution dabei weiter geschwächt wurde.
Der große Dichter war ein kleiner Arzt – ein Arzt wider Willen. Pfarrer hatte er werden wollen, Jurist hatte er auf des Herzogs Befehl hin werden sollen. Und schließlich, als er sich in der Juristerei als gar zu unanstellig erwiesen hatte, war ihm das Medizin-Studium verordnet worden. Auch dies war keinesfalls seine berufliche Erfüllung, seine Berufung … Und es ging ihm entsprechend schwer von der Hand. Dreimal reichte er eine medizinische Dissertation ein, bis die letzte endlich akzeptiert wurde und er den ersehnten Abschluss erhielt. Ein Freibrief für einen Beruf, der doch nicht der seine war, es niemals werden sollte …
Was wir aus Schillers Negativbeispiel lernen können? Dass es darauf ankommt, frühzeitig seine eigenen Stärken zu erkennen, unentdeckte Potentiale zu heben und sich letztlich auf das zu konzentrieren, was man kann. Und dies anschließend auch konsequent in der Berufswahl zu berücksichtigen. Sich nicht zu verzetteln, sich nicht mit mittelmäßigen Leistungen in einem womöglich ungeliebten Beruf zufrieden geben, nur weil der einem aus diesem oder jenem plausiblen Grunde vorgeschlagen wird. Denn nur auf einem Gebiet, das man souverän beherrscht und das einem Freude und Erfüllung bereitet, kann man
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